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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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perfekt.
    Viel Spaß.
    Wo die Almuth das Kranzbindezeug alles hinhat, weiß der Hias nicht genau. Um so was hat er sich jahrelang nicht zu kümmern brauchen. Wahrscheinlich »an’ Tanzbo’n ent’n«.
    Was ich finde, sind zwei aufeinandergenagelte Haselnussstecken, ein staubiges Holzbrett mit Stiel, auf das ein Dilettant den heiligen Georg gepinselt hat, ein paar alte Heuschnürl und eine Alditüte, vollgestopft mit Krepppapierrollen. Das alles ganz hinten im Eck, eingehüllt von einem Jahr Spinnweben und Staub. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Mir schwant, dass Almuth wochenlang gearbeitet hat für die Prachtstücke, die auf diesen Fotos drauf sind.
    Ich schleppe also das Zeug in meine Kammer. Ein Strauß Papierblumen ragt aus der Tüte. Verschiedene Modelle. Eine vergilbte Rose, zwei zerknitterte Nelken, eine einfarbige, ein paar zweifarbige. Zusammengehalten werden sie von einem Stiel aus Draht.
    Hm ...
    Ich wickle sie aus. Studiere sie.
    Ich falte, drehe, schiebe Krepppapier zu einem Knäuel. Blumen sehen anders aus. Also wieder auseinander. Das Papier ist zu dünn! Und wie soll man Blumen falten aus einem Papier, das zerreißt, sobald man es anfasst.
    Ich spüre einen amüsierten Blick im Nacken. Pilatus genießt sein Abendprogramm. Ich sehe ihn vor mir, wie er sich einen Polstersessel an die Wand schiebt, die Hufe auf den Tisch legt und sich ein Bier aufmacht.
    »Vergiss es«, schnauze ich ihn an. »Das krieg ich hin.« Aber wie?
    Pink, denke ich. Pink is Power. Wenn ich die richtige Farbe habe, dann hab ich auch die richtige Einstellung, dann kann ich auch Blumen falten, und zwar wie am Fließband. Zack, zack.
    Ich wickle also pinkes Papier ab. Quer über den ganzen Tisch. Dann schneide ich Streifen.
    Schief.
    Daraus kann man gar nichts falten.
    Das ist doch ... Die Almuth hat’s doch auch ...
    Pilatus grinst. Ich sehe ihn mit seinem zweiten Bier, mir zuprosten, während sich über meinem Kopf eine schwarze Wolke aus Zorn zusammenbraut.
    Ich werde nicht die Sennerin sein, die ihre Viecher ohne Kopfschmuck ins Tal schickt, weil sie keine Papierblumen falten kann!
    Noch mal!
    …
    Der Hias findet mich, kurz bevor der Blitz über meinem Kopf in den Papierhaufen vor mir einschlägt.
    »Ah, ah, ah, ah, ah, ah«, sagt er.
    Ich sage nichts.
    Er lässt zwei Stühle aus, zwischen sich und mir, als er sich an den Tisch setzt und vorsichtig eine Krepprolle aus der Tüte zieht. Hellblau.
    »Hm, hm, hm«, macht er. Sein Blick sucht die Schere. Nein, was Besseres. Er steht auf und holt das scharfe Brotmesser. Und ohne das Papier auszurollen, schneidet er acht gleich dicke Scheiben von der Rolle. Vorsichtig nimmt er ein hellblaues Ende in seine Holzarbeiterhände. Zweimal drehen, dreimal wenden, ein Schnipp mit der Schere. Dann zwei Wickelschlaufen mit dem Draht, rumdrehen, Draht abschneiden und Blume zurechtzupfen. Fertig.
    Eine himmelblaue Nelke. In 40 Sekunden.
    Ich marschiere wortlos in die Küche und verbrenne meinen pinken Chaoshaufen im Ofen.
    Wortlos gehe ich zurück in die Stube. Wortlos, aber langsam zwirbelt Hias eine zweite Nelke. Und wortlos beobachte ich jede Bewegung.
    Er schiebt mir eine Rolle Wickeldraht hin. Ich nehme auch eine himmelblaue Krepprolle. Schneide acht Streifen. Und zwirble eine Nelke. Nicht perfekt, aber erkennbar eine Nelke.
    Puh.
    Die Zornwolke verzieht sich. »Danke«, murmle ich.
    »Des werd scho«, nuschelt er. Er nickt, steht auf, packt drei Riesensäcke Müll auf seine Schulter und fährt heim.
    Aus dem Ofen weht’s einen angekokelten pinken Fetzen. Durch den Luftzug der Tür vielleicht. Ich heb ihn auf und leg ihn vorsichtig zurück ins Feuer. So fühlt sich das an, wenn man anfängt, ins Tal zu gehen. Keine Trommeln, keine Posaunen, kein großes Geläut vom Kirchturm runter. Bloß ein Fetzen Papier, der schneller verbrennt, als du zuschauen kannst.
    Ich mach das Ofentürl zu.
    Ende der Vorstellung. Pilatus verlangt die Fernbedienung.
    Drei himmelblaue Nelken liegen auf dem Tisch in der Stube. Zwei perfekte und eine leicht zerknäulte. Das ist meine. Die bind ich an meinen Almstecken, wenn wir heimgehen. Es ist eine Zauberblume. Denn ich kann den ganzen Sommer in ihr sehen.

Abschiedskränze
    Jetzt ist’s also soweit. Kein Mann mehr in meinem Leben. Wir haben uns getrennt. Das ganze Programm. Geht nicht mehr, du verstehst mich nicht, will nicht deinen Plan leben, wenn’s nicht um Liebe geht, um was geht’s dann, hast du überhaupt schon gesehen, wer ich bin?
    Er ist

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