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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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Bewegt sich keinen Millimeter. Was ... Vielleicht, wenn ich hinten draufhau? Mit dem Hacke? Aber das hat schon auf der Ganai-Alm mit dem Buttermodel nicht funktioniert.
    Messer. Ich schäl ihn einfach raus aus der Form, noch einmal schü... pflatsch. Es scheppert und kracht, und der Topf samt Käse poltert auf den Boden. Billy versteckt sich erschrocken hinterm Bett, und Nika schießt unterm Tisch raus, mit glücklich nach vorn gestellten Ohren.
    »Nein«, sage ich und schmeiß den Kochkäse auf den Mist.
    Hinter mir in der Hütte heult die Nika bitterlich. Aber ich kann’s auch nicht ändern. Man kann nicht an einem Tag zwei ganze Käse fressen.
    Ich überlege schon, ob ich der armen Nika zum Trost ein kleines Stück von einem anderen Käse gebe, da piepst mein Handy. »Habe Apfelstrudel gebacken. Würd dich gern besuchen. Zeit?« Meine Mutter.
    Ich hol sie ab, mit dem Super-Golf.
    Der Golf ist ein vom Himmel gefallenes Glücksgefährt. Aber meine Mutter weiß das nicht zu schätzen. Küchenkreppblass hockt sie auf dem Beifahrersitz. »Steil«, höre ich den einzigen verbliebenen Gedanken in ihrem Kopf.
    »Mama, du musst zum Berg hinschauen!«
    Ich warte bis nach der Kurve, um in den zweiten Gang raufzuschalten.
    Serpentinen machen meine Mutter nervös. Sie kann nichts sagen, weil sie ihre Lippen zusammenzwickt wie eine Zange. Und wir sind noch nicht mal aus dem Wald heraußen. Wird sie mich zwingen anzuhalten, wenn wir um die Kurve in der großen Mure fahren? Wenn sie nur noch Schotter und Geröll sieht, und aus der Neigung ihres Sitzes schließt, dass der Golf gar nicht anders kann, als hintenüberkippen?
    »Mama, alles ist gut«, sage ich, weil ich fürchte, dass sie vergisst zu atmen.
    Vor uns fällt der Bach über eine Steinmauer und rauscht von dort sacht, eben und zahm über die Straße.
    Im Golf stockt die Luft.
    Für jemanden, der ihn zum ersten Mal sieht, erscheint der Bach vielleicht wie ein reißender Gebirgsfluss. Aber nur, weil man gleich durchfahren wird. Und im Tal macht man so was nicht. Im Tal werden Betonbrücken gebaut.
    »Des schaut viel schlimmer aus, wie’s is, Mama«, sage ich.
    Sie stemmt ihren rechten Fuß gegen’s Bodenblech, als wollte sie durchbrechen und bremsen. Prophylaktisch. Als Notanker.
    Ich schalte in den ersten Gang zurück und lass den Golf fast im Standgas durch den Bach rollen. Ein bisschen hoppelt’s, weil die Steine im Bach gröber sind. Den feinen Kies spült’s ja davon. Aber es schwappt kein Wasser über die Achsen oder so. Trotzdem schnappt meine Mutter am anderen Ufer nach Luft, als hätten wir den Amazonas durchquert.
    »Super Golf, gell?« Er zieht mit einem leisen Antippen des Gaspedals aus dem Bachbett raus wie eine Lokomotive und setzt zum Sprint bis zur nächsten Kurve an. Und droben in der Mur’, bei 26 Prozent Steigung und losen Steinen, scharrt er nicht einmal. Weil ich nie Vollgas geben muss. Aber davon versteht meine Mutter leider nichts. Sie spreizt konsequent beide Füße ins Bodenblech und beide Händen gegen’s Handschuhfach.
    »Werst’ sehn, des is a scheene Alm«, lächle ich.
    Keine Antwort.
    »Mama?«
    Sie starrt wie ein hypnotisiertes Kaninchen nach links, über mich drüber, den Hang hinunter. In die Tiefe.
    »Mama – zum Berg hin!«
    Höhenangst ist nichts Rationales. Das kann man nicht wegdiskutieren. Nur überbrücken. Lange genug aushalten. Lange genug zum Berg hinschauen und sich einreden, der ebene Boden wäre nicht weiter als einen Meter unterhalb. Und irgendwie, durch ein Wunder der Natur, kann man irgendwann wilde Grate gehen und ausgesetzte Schotterwege fahren, als wären’s ebene Straßen. Das kann Jahre dauern, oder Minuten. Meine Mutter wird dieses Stadium nie erreichen, glaube ich. Muss sie auch nicht. Sie lebt im Tal und fühlt keine Sehnsucht nach Felsen und hohen Gipfeln.
    Sie reißt tapfer ihren Blick nach rechts, um zum Berg hinzuschauen, wie ich’s ihr gesagt habe. Ausgerechnet am Scheitelpunkt der Kurve macht sie das. Bergab ist jetzt rechts. »Huuuch!!«
    »Sorry, Mama, links.«
    Sie glaubt mir kein Wort mehr.
    »Da passiert nix, Mama«, sage ich. »Des is a top ausgebaute Straß’.«
    »Wos is des?!«
    »Glei sama da.«
    Der Golf schnurrt weiter, als wäre er auf dem Penny-Parkplatz im Tal …
    »Muasst du so schnell fahren?«
    Ich grinse meine küchenkreppweiße Mutter an. Ich hab mich an steile Straßen gewöhnt. Schlimm sehen sie nur beim ersten Mal aus. Weil man Angst hat. Dabei ist die Angst noch nicht mal

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