Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
seine Kleidungsstücke sind schon bei der Kriminaltechnik. Die Hausdurchsuchung bei Iris haben meine Leute auch durchgeführt. Mal sehen, was sie gefunden haben. Bill musste mitten drin ins Krankenhaus wegen Sue und ich war noch bei John. Ich rufe noch im Labor an, bevor ich komme. Und du – fehle ich dir?«
Lene lachte, wurde dann schnell ernst und erzä hlte von den Briefen, dem Testament von Freds Großvater, dem, was sie von Lotte erfahren hatte. Von Sams Beschreibung der Stimme am Telefon und Sophies Vermutung, Iris oder ihre Mutter stecke dahinter. Mike war ebenfalls erschüttert, als er Freds Familienhintergrund erfuhr.
» Das kann ja nicht wahr sein! Du musst mir das noch einmal in Ruhe erklären. Deine Familie und Fred – so etwas nennt man literarisch wohl schicksalhafte Verquickung . Aber in der Realität ist es unbegreiflich. Über einhundertzwanzig Jahre hinweg. Seltsam.«
Lene sah plö tzlich wieder die Kreisscheibe des Baumriesen und seine Zeittafel vor sich. Was waren da schon hundertzwanzig Jahre! Sie meinte das Holz zu fühlen unter ihren Händen, die Einkerbung. Hunderetzwanzig Jahre – Zacharias legt das Feuer bei Haffners - als fiktive Kennzeichnung des Ringes – so nah zu heute im Verhältnis der mehr als 3400 Jahresringe.
» Habt ihr irgendetwas gefunden, das aus dem Safe sein könnte? Wenn wir nur wüssten, was darin … – vielleicht kann ich Sam noch fragen, welcher Schmuck zum Beispiel darin gewesen sein könnte. Dann hättet ihr zwar viel Arbeit, falls er versetzt worden ist, aber vielleicht bringt uns das auch auf eine Spur. Was meinst du?«
» Das machen wir. Also bis nachher.«
Sie fuhren diesmal mit der historischen Straß enbahn durch die Market Street. Kurz vor dem Seven, in dem Iris arbeitete, stiegen sie aus. Schauten noch in die Schaufenster der eleganten Modehäuser und bogen schließlich in die Third Street ab. Alles schon vertraut. Lene versank in dem wunderbaren Licht-Wasserspiel vor dem Luxushotel, Sophie bummelte am Eingang des Kunstmuseums. Dann waren sie da, bekamen einen Platz am Fenster und schauten beim ersten Bier, mexikanisches Corona, auf die Menschen, die draußen vorbeigingen und auf die, die sich drinnen an den gemütlichen Bistrotischen lebhaft unterhielten.
» Das gibt es doch nicht – sieh mal, dort drüben sitzt Fred. Mit einem anderen Mann, nicht mit Iris.« Sophie winkte ihm zu und er kam zu ihnen an den Tisch. Unter der Lampe schimmerte sein Haarschopf rötlich. Zacharias - dachte Lene. Ob er so ähnlich ausgesehen hatte? Fred wirkte aufgewühlt und man sah, dass er völlig übernächtigt war.
» Ich versuche gerade meinem Freund alles zu erzählen. Ich drehe sonst noch durch – es war einfach ein Albtraum, die letzten Tage. Haben Sie noch etwas herausgefunden?«, wandte er sich an Lene.
» Nein. Sophie und ich sind gerade erst gekommen. Wir haben noch einen Abstecher in den Sequoia Park gemacht.«
» Wenn ich mich doch nur an etwas erinnern könnte, was weiterhelfen könnte! Ich zerbreche mir den Kopf – aber es fällt mir absolut nichts Neues ein.«
Lene zö gerte. Sollte sie ihm erzählen, dass sie von den Briefen wusste? Nein, besser sie wartete auf Mike.
» Du siehst Joanne so ähnlich, Sophie, ich bin völlig fasziniert davon«, sagte er plötzlich mit entwaffnender Offenheit. »Sicher bist du im Wesen anders, aber äußerlich ist die Familienähnlichkeit für mich einfach spannend. Ich muss dich immer anschauen«, sagte er und lächelte sie etwas unsicher das erste Mal an.
» Wie lange bleibst du noch hier? Vielleicht können wir uns morgen einmal treffen und ich zeige dir San Francisco, während deine Mutter auf Täterjagd geht. Hättest du Lust?«
Na toll, dachte Lene, als sie Sophies Lä cheln sah, noch ein Mordverdächtiger, der mit meiner Tochter durch San Francisco streift. Begeisternder Gedanke für eine Mutter. Aber Sophie hatte gerade strahlend zugesagt – es sei ja ihr letzter Tag in Kalifornien.
Lene dachte noch ü ber Vernunft und Unvernunft im Leben nach, als sie den tiefen Blick zwischen Sophie und Fred auffing. Wohl eher Unvernunft. Oder?
Und sie selbst? Mikes Augen, und wo war ihre Vernunft? In einem Bett und in Armen in Bakersfield. O Lene. Wie soll das jetzt nur weitergehen? Soll es überhaupt weitergehen?
Aber da fü hlte sie einen so vehementen Protestschrei in ihrem Innern, dass sich die Antwort erübrigte. Und plötzlich freute sie sich auf ihn, hoffte, dass sie den Fall nicht zu schnell aufklären
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