Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
lange Geschichte. Hängt mit meinem Ururgroßvater zusammen. Er war 1910 in die USA eingewandert und hat als Hafenarbeiter seine Familie durchgebracht. Mein Urgroßvater hat sich später zur Army gemeldet und ist im 2. Weltkrieg gefallen. Mein Großvater wollte es dann allein schaffen. War von seinem Großvater aufgezogen worden. Machte eine Lehre, feste Anstellung. Und dann dieser Rückschlag. Hat 1972 bei der Ölkrise seine Stelle verloren und nie mehr etwas Richtiges gefunden. Das gab viel Verbitterung, und mein Großvater hat dann eigentlich nur mal hier, mal da gearbeitet. Später dann hat er sich um mich gekümmert, weil meine Mutter auch arbeiten musste. Und dann war sie ja tot.«
Wieder klang das Kind durch, der kleine verlassene Junge. Fuller ve rstand jetzt besser, was in ihm vorging. Trotzdem –
» Sie haben also Joanne und Marc angetroffen und sich bei ihnen Trost geholt. Wann sind Sie wieder gegangen?«
» Ich wollte mich mit Iris treffen. Hatte sie vorher angerufen. Deshalb bin ich los. Und zu ihrer Frage - so gegen halb neun etwa.«
» Und die beiden lebten noch?«
» Ja. Selbstverständlich.«
» Das ist gar nicht selbstverständlich. Denn um die Zeit in etwa sind sie gestorben. Haben Sie jemanden in oder in der Nähe der Wohnung gesehen?«
» Nein. Niemanden. Ich bin dann später zurückgekommen und habe sie gefunden. Ich dachte, ich drehe durch. Konnte nicht begreifen, was passiert ist.«
» Wo haben Sie auf Iris gewartet?«
» Unten neben Macy’s, in der großen Buchhandlung. Die hatten an dem Tag bis 22 Uhr auf. Da macht mir das Warten nicht so viel aus.«
» Und sie kam nicht?«
» Nein. Und mein Akku vom Handy war leer.«
» Wie lange haben Sie gewartet?«
» Bis ca. Viertel vor 10. Dann war es mir zu blöd und ich bin zurück.«
» Wäre es da nicht näherliegend gewesen, wenn Sie Ihre Freundin in ihrem Supermarkt abgeholt hätten?«
» Die hat ja an dem Tag schon mittags Schluss gehabt. Ich war so sauer.«
Hat Sie jemand gesehen in der Buchhandlung oder auf dem Weg ?«
Nicht, dass i ch wüsste. Nur, ich habe eine Verkäuferin nach einem Buch aus der frühen Rennfahrergeschichte, so ab 1910 schon, gefragt, weil mein Großvater davon in seinen Aufzeichnungen geschrieben hatte. Aber sie hatte nichts. Vielleicht erinnert sie sich ja noch an mich. Sie hat mir von ihrem Großvater erzählt, und dass er Rennfahrer war, schon in den 20igern.«
» Gut. Wissen Sie ihren Namen? Oder können Sie sie beschreiben?«
» Den Namen ? Nein. Sie war blond und etwa 50. Glaub ich.«
» Wir werden nachfragen. Wo waren sie noch? In der Sachbuchabteilung?«, und als Fred nickte, »Soweit Ihr Alibi. Wäre schon gut, wenn Sie eins hätten. Obwohl – als die Morde passiert sind, könnten Sie noch dort gewesen sein. In der Filbert Street, meine ich jetzt.«
» Aber ich war doch nicht dort!« Die Verzweiflung in seiner Stimme war jetzt echt.
» Gut, Sie kamen zurück. Und wie kamen Sie in die Wohnung?«
» Joanne hatte mir gerade an dem Abend einen Schlüssel gegeben. Falls ich mal wieder auf sie warten muss. Weil es mir so schlecht ging. Sie war ja immer so großzügig in ihrem Helfen. Ich sollte auch nach der Wohnung sehen, wenn sie auf Hochzeitsreise wären.«
» Sie sind also zurückgegangen, führte ihn Fuller wieder in den Ablauf des Abends zurück.
» Ja, i andy.Dann ch war inzwischen wieder so down, dass ich zurück bin zu Marc und Joanne. Wollte dort Iris anrufen und auf sie warten. Irgendwann musste sie sich ja melden.«
Mike F uller wirkte jetzt angespannt wie eine Feder. »Und dann? Was war dann?«
» Ich habe geklingelt, mindestens fünfmal. Keiner hat geöffnet. Dann habe ich meinen Schlüssel benutzt. Im Wohnzimmer hab ich erst gar nichts gemerkt. Dann sah ich, dass der Safe offen war.«
» Der Safe war offen?« Fullers Stimme klang jetzt scharf.
» Ja, der war offen. Sag ich doch. Das Bild stand auf der Erde, das sonst immer da hing. Wieso? Stimmt irgendwas nicht?«
» Komischerweise war der Safe nicht offen, als die Polizei kam.«
» Ja, das stimmt wohl. Ich hatte ihn angelehnt und das Bild davor gehängt. Es konnte ja niemand Fremdes gewesen sein und da dachte ich, weil die beiden doch gesagt hatten, ich sollte auf die Wohnung aufpassen …«
Fuller war jetzt wü tend.
» Das gibt es doch nicht! Ich dachte, die heutigen jungen Menschen sind alle aufgeklärt durch unzählige Fernsehserien, wissen, dass man nichts verändern darf. Gar nichts!«
Fred zog die Schultern
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