Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Ben. Lene hörte aufmerksam zu. Plötzlich rechnete sie in Gedanken nach und wurde umso neugieriger. War das das Baby, das für Will und Sam so katastrophale Folgen gehabt hatte und das jetzt zu einem Mann geworden war? Vom Alter her konnte das sein. Sie wollte ihn dringend treffen.
» Kennst du ihn gut genug um ihn anzurufen, John? Ich würde gern morgen mit Sophie mit ihm zu Abend essen. Wenn du die Nummer kennst, kann ich natürlich auch selbst anrufen. Ach, sie steht ja auf der Liste. Ihr seid einfach toll«, sagte sie dann begeistert.
» Sophie, wir brauchen unbedingt noch Simkarten für unsere Handys hier in den USA. Sonst ist das zu teuer - immer Roaminggebühren nach Deutschland und zurück zu bezahlen, wenn wir uns hier anrufen oder überhaupt telefonieren wollen. John, weißt du, wo wir die bekommen können?«
John nickte. Sie kä men nachher noch an einer Verkaufsstelle von USA Telecom vorbei. Die hätten immer bis mindestens zweiundzwanzig Uhr offen. Dann gingen sie die Liste weiter durch. Aber mehr wusste John einfach nicht. Sie mussten Sarah fragen wegen des Professors. Vielleicht hatte sie noch weitere Informationen. Oder wusste mehr über ihn. Zumindest seinen Namen. Sie tranken aus und verabschiedeten sich beim Bezahlen von Vito. Er sprach John sein Beileid aus mit so herzlichen Worten, dass Lene berührt war. Eine Stärke der Amerikaner, dachte sie. Nähe herzustellen für einen Augenblick, Mitgefühl zu zeigen ohne Sperre. Vielleicht nur kurz und nicht sehr tief gehend, aber im Augenblick ein Trost. Der Laden hatte wirklich noch auf. Sie kauften die Simkarten und John begleitete sie noch hinunter zur Market Street. Dann blieb er plötzlich stehen.
» Wollt ihr Iris kennenlernen? Die arbeitet hier. Vielleicht ist sie ja da. Sie ist hier Filialleiterin. Also, was braucht ihr heute noch unbedingt aus dem Laden?«
Sophie war von dem Vorschlag begeistert. Lene hatte den Ve rdacht, dass sie Detektiv spielen wollte. Bei dem Gedanken war ihr gar nicht wohl. Aber Iris hier kennenzulernen, außerhalb des Polizeigebäudes morgen früh, war auch für sie verlockend.
» Okay, aber keine neugierigen Fragen. Einfach ein Besuch bei einer Freundin von Joanne und Marc. Denkt bitte daran, macht bloß nichts Unüberlegtes.«
Beide nickten ernst. Dann betraten sie den Laden. Links war eine lang geschwungene Theke, rechts befand sich das Sortiment auf vielen Regalen. Ähnlich wie in jedem Supermarkt auf der Welt, fand Lene. Plötzlich ging ein Strahlen über Johns Gesicht. Lene stutzte in Gedanken ein bisschen über dies Sichverstellenkönnen. Na ja, könnten wir sicher auch unter den Umständen. John steuerte auf eine attraktive, schlanke, junge Frau zu, die mit dem Rücken zu ihnen an einem Regal stand und deren volles, rotbraunes Haar gleich auffiel, geschickt und geschmackvoll gefärbt, fand Lene. »Hi Iris«, sprach John sie an. Sie drehte sich mit einer heftigen Bewegung zu ihnen herum. Dann lächelte sie verhalten. »O, that’s you. Hi, John«, sagte sie in einer bewusst kultivierten Sprache. Trotzdem oder gerade deshalb bemerkte man, dass sie sich diese Aussprache antrainiert hatte. Lene verstand jetzt sofort, was John mit seiner Beschreibung gemeint hatte. John stellte sie beide vor. Ein Ausdruck von Betroffensein ging über ihr Gesicht, der aber irgendwie nicht spontan wirkte. Komische Frau, dachte Lene.
» Ich finde es so abscheulich, das mit Joanne und Marc. Und Fred ist ganz außer sich, dass er schon zweimal zum Verhör musste. Wir dachten, es sei Marc gewesen. Das war doch irgendwie klar. Und jetzt soll es plötzlich Mord an beiden sein? Ich verstehe das nicht. Aber es tut mir so leid für Ihre Cousine und natürlich für Marc und für die Familien von beiden. Da sind Ihre Verwandten sicher froh, dass Sie sogar aus Deutschland kommen. Wo soll denn überhaupt die Beerdigung sein? Sollen sie zusammen beerdigt werden? Ich frag nur, weil Marcs Eltern doch hier wohnen und Joanne aus Bakersfield ist.«
Nach diesem Wortschwall wusste Lene gar nicht mehr, worauf sie zuerst eingehen sollte. Offenbar ahnte Iris noch nichts von Freds Verhaftung. Und mit einem Gedanken hatte sie recht – daran hatten weder Sophie noch sie gedacht. Wo sollten die beiden beerdigt werden? Sie musste ihren Onkel nachher fragen. Sie sah, dass Sophie sie auch ansah und dann antwortete.
» Das wissen wir noch nicht. Wir sind ja erst gestern angekommen und…«
» … warten erst noch die Entscheidung der Familien ab«, fiel ihr
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