Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Lene ins Wort. Sie befürchtete, dass Sophie etwas von ihren Ermittlungen sagen würde – und gerade das sollte Iris lieber nicht wissen. Sophie verstand sofort.
» Ihr wart wohl sehr befreundet, Joanne und Marc und Fred und du?«, fragte Sophie. »Das muss für euch ja auch ein Schock ohnegleichen sein.«
» Das ist es. Die eigenen engsten Freunde. Und sie waren doch so aufgeregt wegen der Hochzeit. In der letzten Zeit haben wir uns sehr oft gesehen. Joanne hat mir immer einfach alles erzählt. Sie hatte so ein wahnsinnig schönes und teures Kleid bekommen. Sie hat mir so davon vorgeschwärmt. Musste nur noch ein bisschen enger gemacht werden. Sie war irrsinnig stolz darauf. Das hab ich ihr angemerkt. Und jetzt ist alles vorbei.«
Lene beobachtete sie sehr aufmerksa m. Das teure Kleid war ihr offenbar sehr wichtig, sie betonte es unbewusst. Neidisch? Aber das war ja verständlich bei dem sozialen Unterschied zwischen ihr und Joanne. Lene hatte ein wenig Mitgefühl für sie, fühlte aber, dass sie Iris intuitiv nicht besonders mochte. Sie strahlte sehr viel Tüchtigkeit aus. Aber auch Geltungsdrang. Keine einfache Freundin – und schon gar nicht für Joanne. Sie unterhielten sich noch etwas über Iris’ Job, die Öffnungszeiten, die in Deutschland noch undenkbar waren. Iris sollte noch bis vierundzwanzig Uhr arbeiten. Die Schicht wechselte wöchentlich. Drei Schichten – ganz schön schwierig für den Organismus, fand Lene. »Aber die Arbeit macht mir Freude. Und ich verdiene ja auch mehr dadurch, dass ich hier Leiterin bin. In so einer wichtigen Filiale.«
Iris war stolz auf ihre Arbeit. Ihr Rü cken hatte sich bei ihren Worten unbewusst aufgerichtet. Man spürte, dass dies Erreichte für sie eine gewisse Freiheit bedeutete. Das konnte Lene verstehen. Sie verabschiedeten sich, »wir sehen uns ja sicher bald wieder«, nachdem sie noch Schokolade gekauft hatten. Sie waren kaum auf der Straße, als Sophie schon loslegte.
» Ich finde Iris aber wirklich gruselig. Wie hat das Joanne nur ausgehalten? Das hast du also mit bemüht gemeint, John. Du hast Recht. So was Ehrgeiziges und irgendwie Hartes von Frau. Die setzt ihre Weiblichkeit auch ein, wie sie mag. Solche Frauen finde ich grausig. Und die Männer sind so blöd. Dass Fred das nicht merkt?«
John gab ihr Recht, wenn er auch etwas gemäß igter war. Lene schmunzelte. So direkt hätte sie sich nicht getraut es zu formulieren. Aber je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr stimmte sie Sophie innerlich zu.
John verabschiedete sich vor dem Hotel – die Hotelbar war auch nicht sonderlich verlockend. Und Lene und Sophie waren plötzlich froh nach diesem langen Tag endlich wieder in ihrem Zimmer anzukommen. Schuhe aus, Dusche und aufs Bett setzen und reden. Sophie hatte am Morgen Bier und Wein besorgt – »Du glaubst es nicht, in extra Liquor stores gibt es das nur! Und furchtbar teuer. Man kommt sich vor wie ein Schwerverbrecher, geradezu haltlos. Eine Flasche Wein und zwei Bier – also genieße es. Ich musste es in braunen Papiertüten nach Hause tragen!« – und sie kamen sich nun wirklich vor, wie Schülerinnen, die heimlich Alkohol konsumierten.
» Wie findest du John?«, fragte Sophie gleich – und Lene merkte, dass sie das Reden über ihn genoss. Es war ihr ein Bedürfnis. Schließlich machte sie eine kleine, zögernde Pause. Dann fragte sie: »Du glaubst doch auch nicht, dass er es war? John könnte das doch nicht.«
Lene konnte sich das auch nicht vorstellen, aber sie wusste ja, dass Mö rder meist ganz normale Menschen waren. »Man sieht es ihnen nie an«, sagte sie traurig.
Nach einem Telefonat mit Sam, der sie auch gleich die neue n Telefonnummern diktierten, waren beide so erschöpft, dass sie sich nur noch in ihre breiten Betten fallen ließen. Sophie ließ ein zufriedenes Aufschnaufen hören.
» Du könntest mir jetzt endlich erzählen, wie das mit Joannes Großeltern war. Also, Margarethe, oder Marge, war in Amerika als Austauschstudentin. Und sie und Frank wollten heiraten. Und dann?«
» Dann musste sie doch erst einmal mit den anderen Studenten zurück nach Deutschland. Also packte sie und Frank brachte sie zum Schiff in New York. Beiden war es schwer ums Herz wegen der Trennung.«
Und Lene erzä hlte den Abschied, den sie aus der Chronik kannte, als Geschichte.
» Aber du kommst doch gleich zurück, wenn du es deinen Eltern gesagt hast?«, drängte Frank.
» Natürlich. Ich kann doch gar nicht anders. Aber ich möchte es Vater
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