Auf Befehl des Koenigs

»Warum hast du mir nichts gesagt?«, flüsterte sie. »Jetzt habe ich den Falschen bestraft.« Sofort ließ sie die Keule fallen und bemühte sich, ihr Opfer auf die Beine zu stellen. Aber Philip lehnte ihre Hilfe ab. »Es tut mir so Leid«, entschuldigte sie sich. »Niemand teilte mir mit, dass Sie einen Zwillingsbruder haben.« Vorwurfsvoll starrte sie ihren Mann an. »Für diese Unterlassungssünde muss ich dir noch ein Ablassgebet kaufen, Alec.«
    »Sie wollten mich nicht niederschlagen?« Vorsichtig wich Philip vor ihr zurück.
    »Wenn Sie lange genug stehen bleiben, werde ich Ihnen erklären, wie es dazu gekommen ist«, versprach sie.
    Er musterte sie misstrauisch, aber dann unterbrach er seinen Rückzug.
    »Ich kenne Sie gar nicht, Sir«, beteuerte sie. »Warum sollte ich Sie also angreifen? Mein Zorn galt Ihrem Bruder.«
    »Sie wollten Justin niederschlagen?«, stieß er hervor.
    Eigentlich hatte sie beabsichtigt, Justin windelweich zu prügeln, doch das wollte sie seinem Bruder nicht verraten. Philip erweckte nicht den Eindruck, als hätte er ein solches Geständnis zu schätzen gewusst. Wahrscheinlich merkt er nicht, was für ein verwöhnter, eigensüchtiger Junge sein Zwilling war, und fühlte sich für dessen Schutz verantwortlich. Dafür bewunderte sie ihn, wenn sie auch fand, dass seine Fürsorge einem Unwürdigen galt. »Ja, ich wollte ihn niederschlagen«, gab sie zu. »Sie müssen doch wissen, dass er die Manieren eines Schweins hat, Philip.«
    »Bringt Justin zu mir!« Alecs Gebrüll lenkte Jamies Aufmerksamkeit wieder auf ihren Mann.
    »Du sagtest, ich solle dieses Problem meistern, und …«
    »Jetzt kümmere ich mich darum.«
    »Wie denn?«, fragte sie unbehaglich. »Du willst dem Jungen doch nicht ernsthaft wehtun?«
    »Hat er dich angefasst, Jamie?«
    »Nun ja, aber nur ganz kurz, und es war nur ein flüchtiger Kuss …«
    »Ich bringe den Bastard um.« Alec schrie nicht mehr, aber sein Tonfall jagte kalte Schauer über Jamies Rücken. Nervös zerrte sie die Falten ihres Tartans aus dem Gürtel.
    Wenige Minuten später befand sie sich in einer geradezu lächerlichen Lage. Sie stand vor Justin und verteidigte sein Leben. »Alec, er ist doch noch ein halbes Kind, und die Kincaids bringen keine Kinder um. Seien Sie still, Justin!«, befahl sie, als der Junge lauthals gegen ihre Wortwahl zu protestieren anfing.
    »Sie sind in der Tat ein dummer Junge, sonst hätten Sie sich nicht getraut, meinen Mann herauszufordern. Alec, bitte lass ihn noch ein Weilchen auf dieser Erde bleiben, damit er bessere Manieren lernen kann.«
    Anscheinend war sie den Tränen nahe, und deshalb besann er sich anders. Zustimmend nickte er, und Jamie fühlte sich vor Erleichterung ganz schwach in den Knien. Doch sie konnte nur eine Sekunde lang aufatmen, denn er sprang vor, packte Justin und schleuderte ihn in hohem Bogen durch die Luft. Schreiend landete der Junge in einer Staubwolke.
    »Alec, du hast versprochen …«
    »Ich werde ihn nicht töten, Jamie, aber ich handle doch sicher in deinem Sinn, wenn ich ihm Manieren beibringe.«
    Diese Erklärung fand den Beifall der Zuschauer. Nicht einmal Colin Harold erhob Einwände. »Wenn du ihn zu Brei schlägst, müsste ich den Rest des Tages damit verbringen, ihn zusammenzuflicken, Alec. Da ist es mir schon lieber, du schubst ihn nur ein bisschen herum.«
    Alec lief zu Justin, packte ihn am Nacken und zog ihn hoch. »Hast du’s ernst gemeint, Jamie?«
    »Was?« Warum in Gottes Namen grinste er jetzt, fragte sie sich.
    »Dass du mich liebst.«
    Plötzlich merkte sie, dass sie beide gälisch sprachen. »Sie haben meine Überraschung verdorben!«, warf sie Justin vor, ohne zu berücksichtigen, dass er kaum Atem holen, geschweige denn um Verzeihung bitten konnte.
    »Vor allen Leuten hast du deine Liebe beteuert, Frau!«, rief Alec. »Streite es jetzt nicht ab!«
    »Lass erst den Jungen los!«, verlangte sie.
    »Vorher musst du antworten.«
    »Ja, ich liebe dich. Bist du jetzt glücklich?«
    Mühelos stieß er Justin zu Boden. »Sehr glücklich.«
    »Ich sage, Justin hat sie nicht angerührt!«, schrie Philip und lenkte wieder die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.
    Empört schnappte Jamie nach Luft und hob die Keule auf. Alec packte sie und riss sie an sich, wobei die restlichen Tartanfalten den Kampf aufgaben. Der Überwurf wäre zu Boden gefallen, hätte sie ihn nicht festgehalten.
    »Hat irgendjemand diesen Angriff beobachtet?«, fragte Alec die versammelte Menge.
    Die beiden