Auf Befehl des Königs
Lippen fuhr. Er spannte jeden Muskel, jede Sehne an, um nicht über sie herzufallen. Da er auf keinen Fall zulassen durfte, dass er die Beherrschung verlor, wandte Orrick sich ab und trat einen Schritt zurück.
"Und der Grund für dieses Treffen?"
"Nun, um Euch kennen zu lernen, Mylord! Es ist zwar üblich in unseren Kreisen, dass Brautleute vor den Altar treten, ohne sich vorher gesehen zu haben." Sie legte kunstvoll eine Pause ein und betrachtete – mit einem Blick, der einer körperlichen Berührung glich – aufreizend seine Gestalt. Dann fuhr sie fort: "Aber Seine Majestät gestattete diese Lockerung der Etikette, da wir enge Freunde sind."
"Davon hörte ich, Mylady."
Gut so! Sie sollte getrost wissen, dass er kein Spielball war, auch nicht der des Königs. Selbst wenn er gezwungen war, Henrys abgelegte Geliebte zu heiraten, dachte Orrick nicht daran, sich dumm zu stellen und so zu tun, als wisse er nicht über die Beziehung zwischen Henry und Marguerite Bescheid. Vor allem nicht ihr gegenüber, obwohl dieser Umstand seinen Stolz zutiefst verletzte.
Ihre Reaktion versetzte ihn in Erstaunen. Sie stellte das Trinkgefäß ab und ging zur Tür. Langsam drehte sie sich zu ihm um. Der liebenswürdige Zug in ihrem Antlitz hatte sich verhärtet, worunter ihre Schönheit erheblich litt. Sie straffte die Schultern und sah ihn mit kalten Augen so scharf an, dass ihn fröstelte.
Er hatte eine bezaubernde, verführerische, sinnliche Marguerite kennen gelernt.
Nun stand ihm eine zornige, gebieterische, kriegerische Marguerite gegenüber.
"Ich bin Euch zwar keinerlei Erklärung schuldig, Orrick of Silloth, aber ich weiß, dass Ihr genau wie ich zu dieser Ehe gezwungen werdet, deshalb will ich Euch die Wahrheit sagen."
Orrick setzte den Kelch an und leerte ihn in einem Zug. "Wie lautet diese, Mylady?" Wollte sie ihm gestehen, dass sie das Bett des Königs geteilt und möglicherweise von ihm geliebt worden war?
"Diese Hochzeit wird nicht stattfinden. Ich bedauere in gewisser Weise, inwieweit Ihr in dieses Missverständnis zwischen dem König und mir hineingezogen worden seid. Deshalb ist es mir ein Anliegen, Euch zu warnen vor dem, was kommen wird."
War er unversehens Opfer einer Intrige geworden? Wofür wollte der König ihn bestrafen? Wieso diese vorgetäuschte Hochzeit, wenn Henry beabsichtigte, ihn anzuklagen und festzunehmen? Orricks Eingeweide krampften sich zusammen bei dem Gedanken, was aus seiner Familie und seinen Leuten werden sollte, wenn er im Kerker landete oder gehängt werden sollte. Schließlich fasste er sich.
"Was wird kommen?"
"Seine Majestät will mich mit dieser Scharade lediglich warnen und mich in meine Schranken weisen. Ich habe meine Grenzen überschritten, und Henry will mir damit vor Augen führen, wozu er fähig wäre, sollte ich sein Missfallen erneut erregen. Ich fürchte, Ihr seid unvermittelt in einen Zank zweier Liebender geraten."
Orricks innerer Aufruhr legte sich ein wenig, während sein Argwohn wuchs. Aus welchem Grund sollte Henry dieses öffentliche Schauspiel inszenieren, eine Vermählung arrangieren, um im letzten Moment einen Rückzieher zu machen? Orrick hatte bereits die Dokumente unterzeichnet, mit denen Landbesitz und Titel auf ihn übergehen sollten, und außerdem eine hohe Summe des zugesagten Goldes erhalten. Andererseits stand es dem König frei, all diese Zusagen mit einem Wort zurückzunehmen. Aber würde er so etwas tun? Und aus welchem Grund?
"Ihr glaubt, der König wird die Hochzeit absagen?", fragte er einfältig, da ihm nichts Besseres einfiel. Sein Instinkt sagte ihm allerdings, dass die Antwort nicht so einfach war.
"Selbstverständlich wird er das tun! Er liebt mich und verschachert mich nicht an einen Lord aus dem Norden, der sich nie bei Hofe blicken lässt." Auf Orricks ungläubigen Blick beeilte sie sich hinzuzufügen: "Ich wurde erzogen, die Gefährtin eines Königs zu werden, nicht eines … eines …"
"Barbaren unbestimmter Herkunft, Mylady?"
Ganz richtig, ihre abfällige Bemerkung war ihm bereits hinterbracht worden. Er aber hatte es vorgezogen, jenen Worten keine Beachtung zu schenken, da es in dieser absurden Situation schwierig war zu beurteilen, wer was zu wem über wen gesagt hatte. Nun nahm Orrick ihre Herausforderung an, die sie ihm hingeworfen hatte wie einen Fehdehandschuh. Es würde keinen weiteren Austausch von Höflichkeitsfloskeln in diesem Gespräch geben. Marguerite ließ sich dadurch nicht beirren, im Gegenteil, die Tatsache,
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