Auf Befehl des Königs
keinen Bart wie die meisten Adeligen bei Hofe; sein glatt rasiertes Gesicht war markant geschnitten. Der Blick seiner kühlen grünen Augen war klug. Seine Stimme klang tief und melodisch. Überhaupt gefiel ihr seine Erscheinung in mancher Hinsicht. Doch das zählte nicht, da sie nicht für ihn bestimmt war.
Sie ließ sich ihre Vorfreude auf Henrys Besuch nicht anmerken, wusste aber, dass er sie vor der Zeremonie aufsuchen würde. Sicherlich würde er ihr eröffnen, dass er sie an seiner Seite behalten wollte und alles sich wieder zum Guten wenden würde. Sie war für ihr anmaßendes Verhalten bestraft worden, sie hatte Buße getan und würde als Henrys Favoritin an den Hof zurückkehren. Ein Klopfen an der Tür holte sie aus ihren Träumereien. Bevor sie etwas sagen konnte, öffnete eine Dienerin die Tür, ihr Onkel trat ein und verneigte sich.
Marguerite wusste, dass ihr Onkel gekommen war, um sie vor der Hochzeitsfeier zu Henry zu geleiten, damit diesem bösen Spiel ein Ende gesetzt wurde. Wortlos bot der Bruder ihrer Mutter ihr den Arm und begleitete sie durch die endlosen Flure des Palastes. Bedienstete, Gäste, Freunde und Feinde hatten sich in der Großen Halle eingefunden, um Zeugen für die Schmach der in Ungnade gefallenen Mätresse des Königs zu werden. Hoch erhobenen Hauptes, ohne die Versammlung eines Blickes zu würdigen, schritt Marguerite an der Seite ihres einzigen männlichen Verwandten in England durch den Saal, die Augen auf einen Punkt in der Ferne gerichtet.
Unvermutet rasch erreichten sie die Stirnseite des Raumes und stiegen die Stufen zur Empore hinauf. Die Dienerin, die ihr in Woodstock zugeteilt war, stand ein wenig abseits bereit, falls ihre Herrin sie benötigte. Diese beiden Menschen waren Marguerites einziger Halt.
Unschlüssig, ob sie nach Henry Ausschau halten sollte, musterte Marguerite heimlich die Anwesenden. Am anderen Ende der Galerie stand Lord Orrick im Kreise seiner Gefolgsleute und einer älteren Dame, in der sie seine Mutter vermutete. Roger, der Bischof von Dorchester, der die Trauung vollziehen sollte, hatte auf einem der beiden hohen Lehnstühle in der Mitte Platz genommen. Ihr Blick wanderte weiter zum größeren, reicher geschnitzten Stuhl. Endlich sah sie den König zum ersten Mal seit Monaten.
Er strahlte Energie und Lebenskraft aus wie kein anderer. Ein Herrscher, der viele Machtkämpfe in seiner weit verzweigten Familie zu bestehen, der etliche Schlachten in blutigen Kriegen geschlagen hatte, um sein Königreich zu verteidigen und zu erweitern. Der König erschien ihr als unbesiegbarer Held. Sein Haar schien einen Hauch grauer geworden zu sein, um die Leibesmitte wirkte er etwas fülliger. Aber dennoch hatte er nichts von seiner Anziehungskraft verloren.
Henrys durchdringender Blick heftete sich auf sie. Marguerite stockte der Atem. Seine Augen gaben ihr zu verstehen, dass sein Verlangen nach ihr noch immer loderte … Weder die vergangenen Monate der Trennung noch das Kind, das sie ihm geboren hatte, und schon gar nicht die Farce einer arrangierten Heirat hatten seine Gefühle für sie geschmälert. Ein Lächeln, das sie so sehr liebte, zuckte um seine Mundwinkel. Sie erwiderte es verschämt.
Es war dumm von ihr gewesen, nur eine Sekunde daran zu denken, er würde nicht einschreiten. Lord Orricks Worte hatten diese Zweifel in ihr geweckt. Doch nun las sie in Henrys Zügen, dass sie seiner Liebe und seiner Leidenschaft gewiss sein konnte. Er würde sie nicht verstoßen. Niemals.
Marguerite schloss einen Moment lang die Augen, überwältigt und zufrieden über das Ende dieser erniedrigenden Posse. Sie hatte nicht die Absicht, sich ihren Triumph anmerken zu lassen, wenn der König verkünden würde, ein anderes Arrangement für Lord Orrick getroffen zu haben. In der Öffentlichkeit musste sie weiterhin die Rolle der Büßerin spielen, um Henrys Stolz nicht zu verletzen und um ihn wissen zu lassen, dass sie sich die Lehre zu Herzen genommen hatte, die er ihr erteilt hatte.
Nun trat Lord Orrick an ihre Seite. Der Priester neben dem Stuhl des Bischofs begann, den Ehevertrag laut zu verkünden. Seine dröhnende Stimme drang bis in den hintersten Winkel der Großen Halle. Das Verlesen der jeweiligen Besitztümer und Titel dauerte minutenlang. Henry zeigte sich als äußerst großzügig, besser gesagt, er würde sich als spendabel erweisen, wenn die Hochzeit tatsächlich stattfinden würde. Dieser "Lord aus dem Norden" hätte einen Riesengewinn gemacht mit seiner
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