Auf Befehl des Königs
Sobald ich Schreiben gelernt hatte, war es mir untersagt, eine Schreibfeder zur Hand zu nehmen, weil man befürchtete, genau das würde passieren." Marguerite zeigte ihm ihre immer noch verunreinigten Finger.
Lord Orrick sah ihr zu, wie sie sich wieder einseifte, die Fingernägel mit der Bürste bearbeitete, die Lauge abwusch und die Hände an einem Tuch trocknete, das danach gleichfalls Flecken aufwies.
"Es gibt Schlimmeres im Leben, als sich die Hände mit Arbeit zu ruinieren", sagte er. "Ich halte es für eine Schande, Talente ungenutzt zu lassen, nur um sich nicht zu beschmutzen."
Er nahm ihre rot gescheuerte Hand und hob sie hoch, drehte die Handfläche nach außen und ließ den Daumen über ihren Ballen kreisen. Die sanfte Berührung setzte sich prickelnd in ihren Arm fort. Orrick beugte sich vor, und als seine Lippen die Innenseite ihres Handgelenks berührten, durchrieselte sie ein wohliger Schauer. Unfähig, sich ihm zu entziehen, ließ sie ihn gewähren und sah gebannt zu, wie er auch ihre linke Hand hob und liebkoste.
Würde er es dabei belassen?
Oder würde er sie auf den Mund küssen?
Sie entsann sich ihrer Empfindungen, als seine warmen weichen Lippen ihren Hals und ihre Brüste berührt hatten. Wieder durchfuhr sie ein Beben, Hitze durchströmte sie in Gedanken an seine Zärtlichkeiten in jener Nacht. Erst als Bruder Wilfrid sich laut und nicht sehr taktvoll räusperte, war der Bann gebrochen. Marguerite entzog sich ihm hastig und wich einen Schritt zurück.
"Was kann ich für Euch tun, Mylord?", fragte Wilfrid und zog Orricks Aufmerksamkeit auf sich.
"Eigentlich möchte ich Euch die Lady entführen, Bruder Wilfrid. Sie klagte darüber, dass es in unserer Gegend ständig stürmt und regnet. Nun hat der Himmel sich endlich aufgeklärt, und ich würde ihr gern mein Land zeigen."
Ohne eigentlich zu wissen, warum, wollte sie die Einladung ablehnen. "Aber wir sind mit unserem Tun noch nicht fertig."
"Bruder Wilfrid, was meint Ihr dazu? Könnt Ihr Eure Gehilfin für ein paar Stunden entbehren, wenn ich verspreche, sie Euch nach der Vesperandacht wiederzubringen?" Orrick wartete lächelnd auf Antwort. Marguerite wusste, dass der Mönch die Bitte seines Herrn nicht abschlagen würde. Also musste sie sich wohl oder übel damit abfinden, die nächsten Stunden mit Orrick zu verbringen.
"Das trifft sich gut, da ich bei dem schönen Wetter einen Besuch im Dorf machen möchte, zu dem die Lady mich gewiss nicht begleiten will. Lord Orricks Wunsch kommt mir sehr gelegen."
Orrick stutzte bei den Worten des Ordensbruders, forderte jedoch keine nähere Erklärung. Marguerites musste sich in das Unvermeidliche fügen, denn sie fand keine plausible Ausrede, die Orrick nicht vor den Kopf gestoßen hätte.
"Kann ich meinen Umhang holen?" Wenn sie sich alleine aus der Werkstatt fortstehlen konnte, würde ihr vielleicht unterwegs eine passende Notlüge einfallen. In diesem Moment erschien Edmee mit Marguerites Mantel über dem Arm. "Ihr scheint ja an alles gedacht zu haben, wie?"
"Ich habe sogar einen Imbiss für uns vorbereiten lassen. Ein Pferd ist bereits für Euch gesattelt."
Orrick legte ihr das Cape um die Schultern, reichte ihr den Arm. Sie legte zaghaft die Hand in seine Armbeuge und ließ sich von ihm durch den langen dämmrigen Flur auf den Burghof führen, wo ein Stallbursche eine zierliche Stute am Zügel hielt. Orrick half ihr in den Sattel.
Sie nahm die Zügel auf, ordnete ihre Röcke und wartete. Orrick wechselte ein paar Worte mit einem Soldaten und schwang sich auf seinen kräftigen Hengst. Dann ritt sie neben ihm durch das Burgtor, die Ringmauer in südlicher Richtung entlang und an den letzten Häusern des Dorfes vorbei.
Der Regen hatte aufgehört, die Wolkendecke war aufgerissen, die grauen Nebelschwaden, welche die Burg so düster und abweisend machten, waren von der Sonne aufgesogen. Die hellen Strahlen tauchten das alte Gemäuer in einen warmen gelblichen Schimmer, der sie an die Onyxperlen in ihrer Schmuckschatulle denken ließ, denen erst das Licht ein transparentes Leuchten verlieh.
Der Pfad, welcher in Serpentinen einen steilen Abhang zum Meer hinunterführte, forderte Marguerites ganze Aufmerksamkeit. Erst als sie den flachen Küstenstreifen erreichten, drehte sie sich um und staunte über den erhabenen Anblick, der sich ihr bot. Aus dem Meer stieg senkrecht eine hohe Felswand auf, gekrönt von den Mauern der Burg.
Als sie den Kopf noch weiter nach hinten bog, konnte sie die
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