Auf Befehl des Königs
stecken. Sie gehörte nicht hierher, um keinen Preis wollte sie hier leben. Sie entzog sich ihm und wich ein paar Schritte zurück.
"Hat einer Eurer Verwandten oder einer Eurer so genannten Vertrauten je auf Eure Hilferufe geantwortet? Hat ein Mensch sich für Euch beim König verwendet?", fragte er und trat auf sie zu. Seine Stimme wurde so leise, dass sie fast vom Tosen der Brandung übertönt wurde. "Glaubt Ihr tatsächlich, bei Hofe würde irgendjemand seine eigene Position in Gefahr bringen und für Euch eintreten? So etwas würde nur ein wahrer Freund tun."
Sie konnte nicht antworten, ihre Gedanken und Gefühle gerieten in einen wirren Aufruhr. Unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, machte sie das Einzige, wozu sie fähig war. Marguerite raffte die Röcke und rannte los.
13. Kapitel
Wie immer seine Worte geklungen haben mochten, ein Mönch war Orrick ganz und gar nicht. Marguerites entzückend zerzaustes Haar, das in der Sonne golden glänzte, ihre blauen Augen, die wie Edelsteine funkelten, ihre leicht geöffneten Lippen, bei deren Anblick er kaum an sich halten konnte, nicht über sie herzufallen und sich mit ihr zu vereinen, brachten ihn noch um den Verstand. Unentwegt erinnerte sein Körper ihn an sündige Wollust, immer wenn er Marguerite sah … ihre Stimme hörte … er an sie dachte.
Mit einem langen und zwei kurzen Pfeifsignalen gab er seinen Wachen den Befehl, Marguerite zu folgen, bevor er sich seiner Kleider entledigte und vom Felsvorsprung ins Wasser sprang. Der Kampf gegen die kalte Brandung und den mächtigen Sog des Ozeans genügte meist, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und sein Verlangen nach Marguerite zu kühlen. Heute aber zweifelte er daran, ob es ihm gelingen würde.
Mit kräftigen Stößen schwamm er weit ins Meer hinaus und hielt sich dann parallel zum Ufer. Einmal hielt er kurz inne, stieß wieder drei schrille Pfiffe aus, um dem Soldaten am Strand und den Wächtern auf den Zinnen seine Position anzuzeigen. So weit hinauszuschwimmen war nicht ungefährlich, deshalb war es ratsam, seine Männer wissen zu lassen, wo er sich befand, falls er in Not geraten sollte. Die Posten gaben ihm mit Armbewegungen zu verstehen, dass sie ihn sehen konnten, und er schwamm weiter.
Erst als ihm Arme und Beine bleischwer wurden, er vor Erschöpfung keuchte, kraulte er ans Ufer und ging zu dem Felsvorsprung zurück, wo seine Kleidung lag. Der Wächter begab sich an seinen ursprünglichen Standort zurück, und Orrick setzte sich auf den Stein und ließ sich von Sonne und Wind trocknen. Nach einer Weile holte er aus dem Beutel kalten Braten, Brot und Käse, stärkte sich und trank dazu Wein aus dem Schlauch. Während er sich labte, kreisten seine Gedanken um Marguerite. Er fragte sich, ob seine Rede zu taktlos und unverblümt gewesen war.
Seine Vermutung, die von Bruder Wilfrid bestätigt worden war, hatte ihn nicht getäuscht. Marguerite war eine kluge Frau, mit einer für ein weibliches Wesen ungewöhnlichen Fähigkeit. Sie vermochte, über politische Zusammenhänge fachmännisch zu debattieren. Der Mönch hatte ihm schmunzelnd von seinen Diskussionen mit ihr erzählt. Der Greis war sichtlich aufgeblüht und voll sprühender Energie, seit Marguerite ihm half, Ordnung in seiner Arzneikammer und seinen Listen und Aufzeichnungen zu schaffen. Orrick fühlte sich erleichtert, auch wenn er die beiden unter falschen Voraussetzungen zusammengebracht hatte.
Er überlegte, wie Marguerite es aufnehmen würde, wenn sie wüsste, dass ihr Vater ihr eine ebenso fundierte Bildung und Erziehung ermöglicht hatte, wie sie die Königin genossen hatte. Wilfrid hatte des Öfteren erwähnt, dass Marguerite sich mit ihrem Wissen über Kunst und Literatur sowie ihrer klaren Beurteilung der politischen Fakten sehr wohl mit Eleonore von Aquitanien messen konnte, die als eine der gescheitesten Frauen in ihrem Reich galt. Bedauerlicherweise aber hatte Marguerites Vater nicht mit dem jungen ungestümen Herzen seiner Tochter gerechnet. Eine Fehleinschätzung, die seinen Plan durchkreuzt hatte, die alternde Königin durch eine jüngere Frau mit vergleichbaren Qualitäten zu ersetzen.
Orrick rechnete damit, dass Marguerite im Laufe der Zeit Klarheit über ihre Situation gewinnen würde. Über kurz oder lang musste sie die Verbannung akzeptieren. Er hoffte inständig, sie würde sich nicht nur mit ihrem Los abfinden, sondern auch neuen Mut schöpfen und ihre Gaben nicht zuletzt für das Wohl seiner Leute einsetzen und
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