Auf Befehl des Königs
dass sie keine Zukunft hat. Ihr mögt ihm Euer Herz im guten Glauben geschenkt haben, aber der Herrscher ist für seinen Wankelmut und seine Unbeständigkeit berühmt."
Durfte sie es wagen, diesen gottesfürchtigen Mann um Rat zu fragen? Andere Geistliche hatten sie abgewiesen, sie verdammt und der Sünde bezichtigt. Aber Godfrey war anders, ebenso wie Orrick nicht mit den Adeligen im Hofstaat des Königs zu vergleichen war. Als spüre er, was sie ihm sagen wollte, nahm er ihre Hand und tätschelte sie väterlich.
"Mylady, meine Lebensgeschichte unterscheidet sich von der anderer Mönche. Ich habe ein weltliches Leben geführt, ich war sogar verheiratet, bevor ich mich entschloss, Gott zu dienen und ins Kloster zu gehen. Es gibt wenig, was Ihr mir anvertrauen könntet, das mich erstaunen oder entsetzen würde. Sprecht offen mit mir und habt keine Angst, dass ich Euren Kummer nicht verstehen würde."
Marguerite nickte, es drängte sie, sich dem weisen Abt zu öffnen und durch ihn vielleicht Einsichten zu gewinnen. Dennoch zitterte sie und verschränkte die Hände, um sich ihre Beklemmung nicht anmerken zu lassen.
"Da ich mich in meiner Liebe zum König so sehr geirrt habe, woher soll ich wissen, dass ich nicht den gleichen Fehler wieder begehe? Meine Ahnungslosigkeit über das Wesen und die wahren Gefühle des Monarchen liegt doch darin begründet, dass ich nur das sehen wollte, was er mir zeigte." In diesen letzten Wochen war eine große Veränderung in ihr vorgegangen. Nachdem sie Henrys Treulosigkeit und seinen Verrat durchschaut hatte, wagte sie nicht mehr, anderen Menschen Vertrauen zu schenken, geschweige denn sich mit dem Gedanken anzufreunden, einen anderen Mann zu lieben. "Wie kann ich wissen, dass sich so etwas nicht wiederholt?"
"Nun, da Euch klar geworden ist, dass dieses Leben und Eure damaligen Empfindungen der Vergangenheit angehören, müsst Ihr einen Neuanfang machen."
"Aber wie soll ich das schaffen?"
"Mit Vernunft und gesundem Menschenverstand, Mylady. Wendet Euer Wissen, das Ihr Euch durch die Lektüre der großen Philosophen und Wissenschaftler angeeignet habt, im praktischen Leben an. Nehmt das als Gegebenheit an, was Ihr beweisen könnt und was praktisch dargestellt werden kann. Prüft die Beweise, die Euch vorliegen, bevor Ihr entscheidet, welchen Weg Ihr einschlagt."
"Aber Hochwürden, wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich doch nicht auf Herzensangelegenheiten anwenden", widersprach Marguerite.
"Seid unbesorgt. Lord Orricks Charakter hält jeder Prüfung stand. Aber Mylady, ich bitte Euch, treibt kein Spiel mit ihm." Der Abt neigte sich ihr lächelnd zu. "Er ist ein aufrechter und ehrenhafter Mann, und ich gehe davon aus, dass Ihr mit ihm glücklich werdet. Orrick ist wie ein Sohn für mich, aber er wäre ohne Euch besser dran, falls Ihr leichtfertig mit seinen Gefühlen umgeht, so wie es Henry mit Euren getan hat."
Godfrey sprach diese Worte in der deutlichen Absicht, sie aufzurütteln. Sie verfehlten ihre Wirkung nicht. "Ich nehme mir Eure Belehrung zu Herzen, Hochwürden."
"Das ist alles, worum ich Euch bitte."
Marguerite wusste indes, dass er sie um weit mehr bat, als über seine Ansichten nachzudenken. War sie bereit, den nächsten Schritt zu wagen?
19. Kapitel
Orricks Haus vor den Klostermauern am Ufer eines Baches inmitten eines Obstgartens bestand aus zwei Schlafkammern und einer geräumigen Stube, in der sich auch die Kochstelle befand. Ein Anbau diente seinen Soldaten als Unterkunft. Marguerite bezog mit ihrer Kammerzofe eine Schlafkammer und Orrick die andere.
Diese Regelung behagte ihm zwar nicht, aber er hatte Godfrey versprochen, Marguerite Zeit zu geben. Ihre ernste und nachdenkliche Miene bei ihrem Treffen im Klosterhof ließ erneut Zweifel in ihm aufsteigen, ob er die Geduld aufbringen würde, ihre Entscheidung abzuwarten.
Das gemeinsame Nachtmahl verlief einsilbig, da jeder in eigene Gedanken versunken war. Nachdem Orrick noch einmal geschaut hatte, ob seine Leute gut untergebracht und verpflegt waren, begab er sich zu Bett. Die Nacht zog sich endlos in die Länge, er konnte keinen Schlaf finden. Irgendwann hörte er Schritte vor seiner Tür, jemand schlich durchs Haus. Hellwach und alarmiert streifte er sich die Tunika über, griff nach seinem Schwert und riss die Tür auf.
"Marguerite? Wieso seid Ihr wach und lauft hier herum?" Er legte seine Waffe ab und betrachtete ihre reglose Gestalt.
"Ich möchte mit Euch sprechen."
Im Schein der sterbenden
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