Auf Bewährung
kann die Person nicht den nächsten genommen und Diane dann noch im Foyer erwischt haben. Zu dem Zeitpunkt wäre sie schon längst in die Kanzlei hinaufgefahren.«
»Jetzt kann ich Ihnen nicht mehr ganz folgen, Mr. Kingman.«
»Hat sie Sie immer begrüßt, wenn sie hereingekommen ist?«
»Nicht wirklich. Nein.«
»Heißt das, Sie hat es manchmal gemacht oder nie?«
»Äh ... nie.«
»Haben Sie auch die Stimme einer anderen Person gehört?«
»Nein, aber wie ich gesagt habe, war ich gerade an der Mikrowelle. Die macht Lärm. Und wenn sie fertig ist, macht sie ein lautes ›Ding‹.«
»Jaja, ich weiß.« Roy schaute zu den Überwachungskameras in den Ecken des Foyers. »Hat die Polizei die Kamerabänder mitgenommen?«
»Das sind DVDs. Aber nein, das haben sie nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil die DVD im Brenner schon seit Langem voll war.«
»Wenn sie voll ist, wird dann das alte Material nicht überschrieben?«
»So funktioniert das hier nicht. Wenn eine Scheibe voll ist, schaltet der Brenner automatisch ab, bis man eine neue einlegt.«
»Überprüft das denn niemand?«
Ned lief rot an. »Doch ... ich ... manchmal jedenfalls. Aber mir hat nie jemand gezeigt, wie das geht; also habe ich irgendwann die Finger davon gelassen. Schließlich will ich ja keinen Mist bauen.«
»Nun ja, Sie haben Mist gebaut.«
Ned jammerte: »Aber ich dachte, die Kameras seien ohnehin nur zur Show da. Sie wissen schon ... damit die Leute glauben , dass sie überwacht werden. Ich meine, ich bin doch für die Sicherheit hier zuständig.«
»Angesichts dessen, was heute Morgen passiert ist, ist das eine wahrlich beruhigende Vorstellung«, spottete Roy. »Haben Sie irgendjemanden gehen sehen, nachdem Diane gekommen ist und bevor ich erschienen bin?«
»Da waren nur wenige Leute in diesem Zeitraum, und die arbeiten alle hier.«
»Auch jemand von Shilling & Murdoch?«
»Nicht, dass ich wüsste, nein.«
Roy schaute Ned tief in die Augen. »Haben Sie vielleicht noch eine Pause gemacht?«
»Nein, ich schwöre. Ich war die ganze Zeit über hier. Okay, ich habe gelesen, aber ich habe mit Sicherheit niemanden übersehen, der gegangen oder gekommen ist. So groß ist die Lobby nicht.«
Das stimmte, dachte Roy. Und jeder, der mit dem Aufzug aus der Garage kam, musste direkt an der Rezeption vorbei.
»Sie haben in diesem Zeitraum also niemanden das Gebäude verlassen sehen, korrekt?«
»Stimmt. Es sind nur Leute gekommen. Ich meine, es war ja auch noch früh. Warum sollte da jemand gehen?«
Eine Person ist aber vermutlich gegangen , dachte Roy. Der Killer. »Und das haben Sie auch den Cops erzählt?«
»Ja, alles.«
»Ist Ihr Arbeitgeber gut versichert?«, erkundigte sich Roy.
»Woher zum Teufel soll ich das denn wissen?«
»Nun ja, Sie sollten sich lieber rasch erkundigen. Weil Sie Mist gebaut haben, geht es in einer großen Kanzlei jetzt drunter und drüber. Und vergessen Sie nicht: Diese Kanzlei kann Sie verklagen und muss dafür noch nicht einmal einen Anwalt anheuern.«
»Himmel!«, rief Ned. »Glauben Sie wirklich, die wollen mir an den Kragen? Das können die doch nicht, oder? Ich bin doch nur der Wachmann. Bei mir gibt es nichts zu holen.«
»Dem Gericht ist es egal, ob Sie Geld haben oder nicht, und wer weiß ... man könnte Sie einfach so aus Spaß verklagen.«
Roy trat ins Sonnenlicht hinaus. Wer auch immer Diane getötet hatte, war vermutlich im Aufzug mit ihr raufgefahren. Und vielleicht hatte derjenige das Gebäude auch nicht verlassen, sondern sich irgendwo versteckt. Er – oder sie – könnte sogar noch hier sein und in einem anderen Büro arbeiten.
Womöglich sogar in meiner eigenen Kanzlei.
Diane war gut neunzig Minuten vor Roy gekommen. War sie sofort getötet worden, und hatte der Killer das Gebäude schon längst verlassen, als Roy gekommen war? Oder war es geschehen, als er bereits in seinem Büro gewesen war, nur dass er nichts gehört hatte? Roy versuchte, sich daran zu erinnern, wie kalt Dianes Leiche gewesen war. Tatsache war, dass sie ihm vermutlich gleich kalt vorgekommen wäre, egal ob sie nun zwei Tage oder eine halbe Stunde im Kühlschrank gelegen hatte. Vielleicht hatten die Gerichtsmediziner ja eine Möglichkeit, das herauszufinden.
»Sie sehen aus, als würden Sie viel zu viel nachdenken.«
Roy schaute nach links, wo Mace Perry auf ihrer Ducati hockte und ihn anschaute.
Kapitel 14
W as machen Sie denn wieder hier?«, verlangte Roy zu wissen und ging zu Mace. »Woher wollen Sie denn
Weitere Kostenlose Bücher