Auf Bewährung
Lass das Licht für mich an.« Mace wandte sich zum Gehen. »Ach ja. Noch etwas. Meine Ducati fällt ein wenig auf. Hast du einen Wagen, den ich ausborgen kann?«
»Sicher. Willst du den Bentley oder den Honda?«
»Die Entscheidung fällt mir zwar schwer, aber ich nehme doch wohl lieber den Japaner.«
Kapitel 54
M ace duschte im Gästehaus und wusch sich gründlich das verklebte Haar. Das war einer der großen Nachteile von Motorradhelmen: Man schwitzte darunter wie Sau. Als Mace sich schließlich einen dicken Bademantel überzog und durch das palastartige Haus marschierte, das noch nicht einmal ein Drittel so groß war wie der Palast nebenan, da kam ihr der Gedanke, dass ein normaler Mensch sich rasch an dieses Leben gewöhnen könnte; aber sie war eben nicht normal. Dennoch konnte sie nicht anders, als die Qualität der Möbel zu bewundern sowie das Können und das Auge, mit dem hier alles designt und aufeinander abgestimmt war. Marty Altman musste in der Tat sehr talentiert gewesen sein. Und man spürte noch deutlich, dass Abe sie vergöttert hatte.
Wie wäre es wohl, wenn mich ein Kerl vergöttern würde?
Mace kramte in ihrem Rucksack herum und holte ein altes Notizbuch heraus. Darin befand sich eine Liste von Kontakten aus ihrer Zeit als Cop. Sie fand den Namen, den sie suchte, und rief an. Sie musste mehrmals verbunden werden, doch schließlich erreichte sie die Frau.
»Charlotte, ich bin’s, Mace.«
»Mace Perry!«
»Kennst du noch eine andere Mace?«
»Bist du noch immer in diesem furchtbaren Knast?«
»Nö, das habe ich endlich hinter mir.«
»Gott sei Dank.«
»Und du? Genießt du noch immer das Leben im Straßenverkehrsamt?«
»Oh ja«, antwortete Charlotte in spöttischem Ton. »Ich habe all die Angebote aus Hollywood abgelehnt, nur um hierbleiben und mich den ganzen Tag lang mit wütenden, unfreundlichen Leuten herumschlagen zu können.«
»Wie wäre es dann damit, wenn du zur Abwechslung mal einen Menschen glücklich machen würdest?«
»Das heißt für gewöhnlich, dass du einen Gefallen von mir willst.«
»Ich habe einen Namen und eine Adresse«, sagte Mace, »und jetzt würde ich gerne noch ein Foto von dem Kerl bekommen.«
»Du bist doch nicht wieder bei der Polizei«, erwiderte Charlotte. »Das hätte ich gehört.«
»Nein, aber ich versuche, wieder reinzukommen.«
»Heutzutage ist das mit den Gefälligkeiten nicht mehr so leicht, Mace. Alles wird elektronisch überwacht.«
»Wie wäre es mit einem altmodischen Fax?«
»Na, das ist mal was Neues.«
»Dann wirst du mir also helfen?«, fragte Mace hoffnungsvoll. »Nur noch einmal? Um der alten Zeiten willen?«
Mace hörte ein leises Seufzen. »Gib mir den Namen«, sagte Charlotte. »Und deine Faxnummer.«
Zehn Minuten später stand Mace neben dem Faxgerät in dem kleinen Büro im zweiten Stock, das Altman ihr gezeigt hatte. Zwei Minuten später kam das Fax. Mace schnappte sich das Blatt Papier. Es war eine Kopie von Watkins’ Führerschein.
Der echte Andre Watkins hatte kurzes, dichtes, dunkles Haar, trug eine Brille und keinen Bart. Seine Größe stand auf dem Führerschein, und Mace sah, dass er auch mehrere Zoll kleiner war als der Kerl, den sie gesehen hatten. Sie hatte also recht gehabt. Sie fragte sich, ob der echte Watkins wirklich als Escort gearbeitet hatte. Das war so ein ungewöhnlicher Beruf, dass Mace dazu neigte, das zu glauben. Das wiederum hieß, dass der Betrüger Watkins’ Hintergrund überprüft hatte.
Als Mace wieder nach unten ging, kam sie an einem großen Jacuzzi vorbei. Kurz zögerte sie, dann lief sie in die Küche, öffnete den Weinkühler, schnappte sich eine Flasche und schenkte sich ein Glas ein. Anschließend lief sie wieder zu dem Jacuzzi, machte sich mit den Kontrollen vertraut, heizte ihn auf, ließ ihren Bademantel fallen und glitt nackt in das heiße, schäumende Wasser. Eine Minute später schnappte sie sich ihr Handy vom Badewannenrand und rief Roy an.
»Wo bist du?«, fragte sie.
»Auf der Arbeit. Ich habe einen Job, schon vergessen?«
»Okay, Mr. Grumpy. Rate mal, was ich gerade tue.«
»Was?«
»Ich verwöhne mich ein wenig.«
»Wie? Machst du Schießübungen? Oder brutzelst du Obdachlose zum Spaß mit deinem Elektroschocker?«
»Ich sitze splitterfasernackt in einem Jacuzzi in Altmans Gästehaus und trinke ein Glas Rotwein.«
»Ich dachte, du wolltest mit deinem neuen Job anfangen?«
»Ich habe mich mit Altman getroffen und bin Akten durchgegangen. Und jetzt belohne ich
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