Auf Couchtour
haarklein!
»Am Anfang dachte ich, mein Gewissen würde mich umbringen, aber ich fühle mich kein bisschen schlecht. Klingt das verwerflich?«
»Überhaupt nicht. Zum einen ist es nur ein Traum, und zum anderen sollten wir uns ausschließlich über verpasste Gelegenheiten ärgern und nicht über die, die wir am Schopf gepackt haben. Wer immer sagt: ›Hätt ich bloß …‹, wird später, unterm Strich, nichts verbuchen können, was es wert wäre, sich daran zu erinnern. Mir ist ein kurzes und abenteuerliches Leben lieber als ein langes langweiliges.«
»Wie recht du hast!«
Wenn’s am schönsten ist, soll man aufhören – der Spruch ist sicher kein Universal-Ratschlag, passt aber für das Ende der Liaison von Charline und Aaron wie die Faust aufs Auge. Die Endgültigkeit ihrer Trennung ersparte beiden viel Kummer und Schmerz, den eine Fortsetzung ihrer Beziehung garantiert zur Folge gehabt hätte. In diesem Stadium blieben Herz und Seele unverletzt, ihre, und die ihrer
Familien.
Es gab nichts zu bereuen.
Nur geträumt: Rita
»Willst du wissen, wie es bei mir war?«
»Unbedingt!«
»Nun gut. Dank deiner Stilberatung – ich sollte sie öfter in Anspruch nehmen – fühlte ich mich sauwohl in meiner Haut. Ich war wesentlich legerer gekleidet als du, als jeder andere Gast: Capri-Jeans, Top, Bluse, Wachsjacke und meine Sieben-Meilen-Stiefel, für den Fall, dass für mich ein Stadtrundgang auf dem Programm stand. Pferdeschwanz und Kreolen rundeten das Bild stimmig ab. Auch wenn es sich eher nach einem Alltagsoutfit anhört, fand ich es insofern gut, weil ich jung und sportlich wirkte. Ich und sportlich, was für eine drastische Typveränderung! So etwas gibt’s halt nur auf Couchtour. Die Bluse verdeckte meinen Hüftpolsterring und schloss unter der dicksten Schwarte meiner Oberschenkel ab, so dass nur der schlankere Teil meiner Beine sichtbar war. In dem Outfit hätte ich Schafe scheren, reiten, bergsteigen, jagen oder auf einem Schiff anheuern können. Kurzum alles, was man an einem Freitagabend in London so macht. Sexy war der enorm tiefe Ausschnitt, den ich vor mir herschob. Ich hab vorsichtshalber einen Knopf mehr aufgemacht, als du mir geraten hattest. Viel hilft viel.« Charline greift sich an die Stirn und schüttelt den Kopf: »Ich kann kaum glauben, dass ich dich in deiner Wachsjacke hab losziehen lassen. Ich denke, du hast dir vor unserer Abreise lauter neues, scharfes Zeug gekauft?«
»Schon, aber ich sah darin nicht aus wie ich. Warum sollte ich mich verkleiden?«
»Weil wir in einem Super-Luxushotel logierten? Weil dich ein Traumtyp erwartete? Oder du als Försterin vom Silberwald wie eine Exotin unter dem ganzen Edelzwirn um uns herum gewirkt haben musst!«
»Ich bin es gewohnt, aufzufallen. Aber diesmal war es anders. Es kommt nämlich nicht darauf an, was du trägst, sondern w-i-e du es trägst! Ich trat ungemein selbstbewusst auf. Ich hatte nicht das Gefühl, angestarrt zu werden. Ehrlich. Ich passte da absolut rein. Und genau das habe ich ausgestrahlt. Glaub mir, es war genau das Richtige. Wer ein schickes Kleid anhat und sich darin unwohl fühlt, wird niemals gut aussehen. Es ist alles eine Frage der Überzeugung. Bist du von etwas überzeugt, kannst du es auch verkaufen. Dabei spielt es keine Rolle, was es ist: Klamotten, Häuser, Versicherungen …«
»Verstehe. Ich bin einverstanden. Ich kenne dich ja nur so. Von daher kann ich es mir vorstellen, besser jedenfalls als dich in einem Stretchkleid mit Pailletten am Kragen.«
»Das könnte nicht mal ich mir schön träumen!« Wir finden das Bild köstlich und malen uns spaßeshalber aus, wie ich darin ausgesehen hätte … eine Katastrophe!
»Troy stand auf, und siehe da, er passte klamottentechnisch perfekt zu mir – lässig und leger. Im Gegensatz zu Aaron wartete er meine Zeitlupenannäherung ab. Er bellte, bevor er mir einen Kuss auf die Wange drückte. Ich nahm das als Kompliment. Ich freute mich riesig, ihn zu sehen, und ließ es ihn wissen. Er hopste. Ich beschloss, meine Nettigkeiten sparsamer zu dosieren, damit er sich körperlich nicht zu sehr verausgabte. Seine Kräfte würde er später brauchen … Er trank sein Soda aus. Ungewöhnlich für einen Mann am Freitagabend – Wasser. Entweder hatte er Bereitschaftsdienst oder Medikamente eingenommen, um seine Ticks einigermaßen im Zaum zu halten. Ich schätze Letzteres. Er rührte den ganzen Abend keinen Tropfen Alkohol an. Ein generelles Tabu für ihn, nehme ich an. Wäre
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