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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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Minuten nach meiner Bestellung bereute ich meinen voreiligen Entschluss. Der Wirt brüllte seinem Gehilfen zu: ›Einmal Hausmarke extra large.‹ Der schien ziemlich verdutzt, wartete ein Nicken des Wirtes ab, was ihm bestätigte, sich nicht verhört zu haben, und verschwand hinter einer Tür. Als er zurückkehrte, schleppte er eine Tüte, in der man ohne Probleme eine Couchgarnitur hätte verstauen können. Ich dachte, da sei die Sammelbestellung der gruseligen Menschen an den Stehtischen drin. Aber nein. Der tiefgefrorene Inhalt war allein für meine Portion gedacht. Die Rocky-Horror-Picture-Show nebenan spendete tosenden Beifall in meine Richtung. Alle zeigten mit ihren Daumen nach oben. Kaum, dass sie sich beruhigt hatten, knallten sie Pfundnoten auf die Tischplatten und begannen ebenfalls, für oder gegen mich zu wetten. Da kam richtig Stimmung auf, sage ich dir. Der Wirt schmiss mit einer Hand die Fritteuse, mit der anderen den C D-Player an: Barry White. Ich habe mir die Best-of-CD letzte Woche gekauft und die Musik wohl deshalb im Traum verwurstet. Passte eigentlich gar nicht, aber irgendwie doch. Ich freute mich darüber, Barry zu hören, und wippte im Takt mit. Die Henkersleute johlten und fingen an zu tanzen. Sie winkten uns zu sich heran. Was war hier bloß los? Wirt und Gehilfe wollten auch mitwetten. Sie krümelten ein paar Scheine aus ihren Kitteln und setzten sie – gegen mich. Ich zog meine Jacke aus und erntete Schulterklopfer von allen Seiten. So aus der Nähe betrachtet, wirkten die Leute ganz sympathisch. Wir reihten uns ein und schunkelten mit. Unsere Getränke kamen vorab. Die Fritteuse machte einen Höllenlärm und brutzelte wahrscheinlich gerade einen Pottwal für mich. Dann kam der Moment der Wahrheit. Der Gehilfe, nur ein schmales Hemd, hätte eine Sackkarre gebraucht – sein Chef, ein kräftiger Kerl, schaffte es, meine Spezialfuhre ohne Hilfsmittel an den Tisch zu bringen. Ich hasse es, unter Beobachtung zu essen, aber die hohen Einsätze, übrigens in dem Zylinder von anno dazumal verstaut, erforderten eine Kontrolle. Es zeigte sich nun, dass nur einer der Typen auf mich gewettet hatte. Ich bedankte mich vorab für sein Vertrauen und versprach ihm, dass er als reicher Mann das Lokal verlassen würde. Ich fing an zu essen, schluckte und stopfte. Es gibt ohne Zweifel damenhaftere Wege, sich Bewunderung zu verdienen. Aber, seien wir mal ehrlich: Ich bin keine Dame und werde es nie sein. Außerdem bewies diese Geschichte wieder den Haken, den eine ungenaue Definition vorm Einschlafen zur Folge hatte, wie bei dem Tick. Ich wollte Troy in einem Wettkampf beeindrucken. Gepaart mit meinem Hunger ist im Traum eben das daraus geworden. Ich fand das nicht weiter tragisch.«
    »Ich finde es schrecklich – ein Fresswettbewerb!« Charline rauft sich die Haare. Sie ist jedes Mal zutiefst erschüttert, wenn ich mich unschicklich für eine Frau gebärde. Nach all den Jahren erfolgsarmer Versuche, mich zu einer Dame zu erziehen, sollte sie es besser wissen.
    »Auch wenn es für dich furchtbar klingt: Ich habe mir die Gunst der Umstehenden, zu denen ja auch Troy zählte, Stück für Stück erfuttert. Sie staunten und raunten. Mir schmeckte das Zeug. Ich mag so was. Da ich alle Blicke auf mich zog, achtete außer mir keiner auf Troy, dessen Burger im Verhältnis zu meiner Portion kaum größer als eine Kopfschmerztablette wirkte. Er drehte den Teller wie einen Kreisel und versuchte in mehreren Anläufen, seine Gabel genau in die Mitte zu stechen. Warum er nicht einfach mit den Händen aß, weiß der Geier. Die obere Hälfte des Brötchens war schon völlig durchlöchert, als er endlich dahin traf, wo er wollte. Die Henker stellten sich der Reihe nach vor, jeder auf seine Weise mit einer eigenen Performance. Einer steppte dazu, einer reimte, der Nächste sang, einer sprach in Rätseln, und der Kleinste von ihnen gab eine Pantomime zum Besten. Sein Name war Peter Paul, was wir tatsächlich errieten. Troy stutzte plötzlich. Er wiederholte: ›Peter Paul?‹, woraufhin der mit dem Finger auf ihn zeigte und johlte: ›Troy Archer, Mensch, ist das schön, dich wiederzusehen.‹ Die beiden fielen sich in die Arme und freuten sich wie verrückt. Die früher Unzertrennlichen hatten sich nach der Schulzeit aus den Augen verloren. Schuld daran war eine Frau. Peter wanderte mit seiner damaligen Freundin nach Bulgarien aus, um mit ihr den Betrieb ihrer Eltern zu übernehmen. Er hätte vorher nachfragen sollen,

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