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Auf das Leben

Titel: Auf das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Rothschild Oliver Weiss Mirjam Pressler
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Hölle hier auf Erden bekommen?«
    »Warum erzählen Sie mir das alles?«, wollte ich wissen.
    »Weil ich es jemandem erzählen muss, und ich kann es keinem anderen sagen - weder dem Arzt noch meiner Familie, niemandem, der es verraten könnte. Ich gehe davon aus, dass Sie ein Geheimnis bewahren können. Ich muss ehrlich sein. Zu mir und zu Ihnen. Wenn es sein muss, bringe ich mich um. Auf diese Weise wird meine Familie nicht im Luxus leben, wenn ich nicht mehr bin. Das ist alles. Ich bitte Sie nicht um Ihre Meinung, nicht um Ihren Rat und noch nicht mal um Ihre Erlaubnis. Wenn es mich wirklich erwischt hat, dann mache ich Schluss. Ganz schnell, und wenn meine Familie dann leidet, ist mir das egal, denn ich habe auch viel gelitten. Und ich will nicht, dass die Versicherungsgesellschaft das Geld an Menschen ausbezahlt, die es nicht verdienen. Das will ich wirklich nicht. Es ist vielleicht das Letzte, was ich in diesem Leben entscheiden kann, und ich werde es entscheiden. Von mir aus kann die Versicherung das Geld behalten!«
    Wir setzten die Unterhaltung noch eine Weile fort, aber wir wiederholten uns eigentlich nur noch. Irgendwann stand er auf, ich schüttelte ihm die Hand und wünschte ihm alles Gute, egal, wie er sich entscheiden würde. Und dabei blieb es.
     
     
    Ein paar Wochen später bekam ich einen Anruf vom Büro. Es war ein Unfall passiert. Michael war tot in seinem Auto gefunden worden. Er war gegen einen Baum gerast und wohl sofort tot. Die Straße war trocken, die Polizei nahm an, dass er einen kleinen Schwächeanfall gehabt hatte. Es gab keine weiteren Beteiligten.
    Ich fuhr zu Caroline. Sie war entweder tief getroffen oder eine sehr gute Schauspielerin. Dann musste ich noch einige Besuche machen, um alles zu regeln. Innerhalb von zwei Tagen war Abigail gefunden und kam mit dem Zug aus Cardiff. Matthew verließ sein Zimmer mit roten Augen. Schließlich war er noch ein Kind, das eben ein bisschen aus der Bahn geraten war. An der Beerdigung nahmen zahlreiche Trauergäste teil. Mikes Partner war da - er stellte sich mir vor -, aber er stand weit entfernt von Caroline, fiel mir auf, und außer einer öffentlichen und förmlichen Umarmung war alles ganz koscher. Ja, es war ein schrecklicher Unfall, sagte ich wieder und wieder, und so unerwartet, er hatte so viel, wofür es sich gelohnt hätte zu leben.
    Niemand erwähnte den Krebs. Ich nehme an, dass Caroline noch nicht einmal etwas davon wusste. Und ich hielt ebenfalls den Mund.
    Die Versicherungsgesellschaft bezahlte. Und nach Begleichung der Hypothek und der Beerdigungskosten blieb noch ein hübsches Sümmchen übrig.
    Mike war ein anständiger Mann. Aber wir anderen - nein, wir können nicht alle nach seinem Maßstab leben.

III
    Glauben

Exorzismusübungen

    Sie war noch nicht einmal Jüdin. Das war der amüsante Aspekt der Sache, wenigstens am Anfang. Sie war nur eine ältere Dame. Ich hatte sie gelegentlich an der schul vorbeigehen sehen. Irgendetwas hatte ihr einen gehörigen Schrecken eingejagt, und sie war von der Straße hereingekommen, um mit dem Rabbi zu sprechen. Geraldine hatte nachgeschaut, ob ich da war, und sie dann zu mir geschickt.
    Einmal mehr hörte ich eine vollkommen bizarre Geschichte, aber ich hatte längst aufgegeben, etwas anderes zu erwarten. Niemand außer einem anderen Rabbi würde auch nur die Hälfte dessen glauben, womit ich konfrontiert wurde. Jeder andere würde mich für einen Übertreiber, für einen Lügner oder einen Verrückten halten. Oder für alles zusammen. Nun, die Dame war also aufgeregt und doch zurückhaltend. Sie fürchtete wohl auch, nicht ernst genommen zu werden. Deshalb setzte ich ein ernsthaftes Gesicht auf und beugte mich über den Tisch.
    In ihrem Badezimmer spukte es, stellte sich nach längerem heraus. Sie hörte Stimmen, und Dinge bewegten sich. Sie war überzeugt, von jemandem beobachtet zu werden, und sie hatte große Angst, das Badezimmer zu betreten, die Toilette zu benutzen oder zu baden. Der Gedanke, jemand - oder etwas - könne sie in unbekleidetem Zustand sehen, brachte sie ganz durcheinander.
    »Was sagen denn die Stimmen?«, fragte ich.
    »Oh, es ist nur die eine Stimme. Aber sie ist sehr leise, ich kann keine Wörter verstehen. Das macht es noch schlimmer.«
    »Und hat sich irgendetwas bewegt?«
    »Ja, ja, immer wieder. Ich hänge Handtücher an den Halter, und sie fallen auf den Boden. Meine Haarbürsten bewegen sich und fallen von der Ablage über dem Becken in die

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