Auf & Davon
selbst von dem Fall abzuziehen. Das hieß ja nicht, dass ihm das gefallen musste.
Zane hob die Hand, um Ty mit den Fingern durchs Haar zu streichen. Doch gerade als er ihn mit den Fingerspitzen berührte, ging die Tür zum Treppenhaus geräuschvoll auf und unterbrach damit die zärtliche Geste.
Als ein anderer Agent ins Treppenhaus trat, senkte Ty den Kopf wieder. Dann schaute er noch einmal auf und suchte Zanes Blick. Einige Herzschläge lang sahen sie einander tief in die Augen, dann rappelte Ty sich unsicher auf die Füße und drehte sich zu dem Neuankömmling um.
„Ich brauche einen Arzt“, sagte er heiser zu dem Agenten.
„U ND Siedürfen beide sicher sein, dass sich das in keiner Weise negativ in Ihren Personalakten niederschlagen wird, das möchte ich hiermit ganz deutlich klarstellen. Grady, Sie wurden von jeglicher Mittäterschaft bei dem Mord entlastet, nicht dass wir je etwas anderes erwartet hätten“, sagte Assistant Director Burns und schaute die beiden Männer an. Er bekam keine Antwort, genauso wenig wie während der letzten zehn Minuten, in denen er zu ihnen gesprochen hatte. „Garrett, Sie sind ab sofort wieder im aktiven Dienst und einsatzbereit“, fuhr er fort.
Die beiden Agenten hatten sich sehr verändert seit dem letzten Mal, als er sie in diesem Raum gesehen hatte. Der Unterschied war wie Tag und Nacht. Ty saß schweigend da, er wirkte reserviert und etwas distanziert. In New York war er fast eine Woche lang zur Beobachtung stationär im Krankenhaus gewesen; die Ärzte hatten bei ihm eine schwere Gehirnerschütterung und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Nach seiner Entlassung war er direkt nach Washington zurückgeflogen und gleich zu diesem Treffen gefahren worden. Burns bemerkte, dass Ty immer noch das Krankenhaus-Armband am Handgelenk trug.
In der Zwischenzeit war Zane umgehend nach Washington zurückgebracht und wieder und wieder zu dem Einsatz befragt worden, da die internen Ermittlungen weitergeführt wurden. Verständlicherweise hatte Zane die ganze Zeit eine geradezu unterirdisch miese Attitüde an den Tag gelegt. Es war der reinste Kampf gewesen, ihn überhaupt zur Kooperation zu bewegen, aber Burns konnte ihm das eigentlich nicht übel nehmen.
Jetzt in zwei Stunden, würde Ty sich drüben im Walter Reed Krankenhaus einer routinemäßigen medizinischen Beurteilung unterziehen müssen. Aber so, wie er da in seinem Büro saß, war Burns sich nicht sicher, dass er den Anforderungen genügen würde. Er hatte Ty Grady noch nie so niedergeschlagen gesehen. Und Burns hatte so seine Zweifel an Zanes Bereitschaft, wieder an die Arbeit zu gehen. Zane stand am Fenster und starrte hinaus; er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und trug eine betont ausdruckslose Miene zur Schau. Burns verkniff sich ein Stirnrunzeln. Der Zane Garrett früherer Zeiten schien wieder auferstanden zu sein: dunkle Jeans, T-Shirt, schwarze Lederjacke, seit mindestens zwei Tagen nicht mehr rasiert. Burns konnte den Zigarettenrauch an ihm aus drei Metern Abstand riechen. Nur weil er Zanes medizinische Beurteilung gesehen hatte, wusste Burns, dass dieser seinen früheren Gewohnheiten ansonsten ferngeblieben war.
Es war fast so, als hätten die beiden die Rollen getauscht. Burns schüttelte den Kopf. Das war nicht sein Ziel gewesen, als er die beiden zusammengebracht hatte. Er hätte wissen müssen, dass Ty jeden korrumpieren konnte.
„Haben Sie noch Fragen?“, erkundigte sich Burns. Ty schüttelte den Kopf, und Zane starrte nur weiter aus dem Fenster, ohne zu antworten. Burns seufzte. „Sie werden beide neu eingeteilt“, fuhr er fort. „Ihren jeweiligen Einsatzort habe ich Ihnen bereits individuell mitgeteilt; außer Ihnen und mir weiß niemand, wohin Sie versetzt werden. Ob Sie es sich gegenseitig erzählen wollen, geht mich nichts an.“ Dabei würde Burns es belassen. Er sah die beiden Männer noch einmal nacheinander an. Keiner von ihnen sagte ein Wort. „Nun gut. Ich muss runter zu einem anderen Meeting. Passen Sie auf sich auf.“ Und damit ging er hinaus. Nachdem sich die Tür mit einem leisen Klicken hinter ihm geschlossen hatte, waren sie alleine im Zimmer.
Ty starrte lustlos vor sich zu Boden; er konnte Zane nicht ansehen. Eines seiner Knie wippte ruhelos im Sitzen. Zane regte sich nicht vom Fenster weg, und das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich zu Minuten. Es war nicht angespannt. Es war einfach nur leer.
„Willst du wissen, wo ich hinkomme?“, fragte Ty
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