Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf & Davon

Auf & Davon

Titel: Auf & Davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abigail Madeleine u . Roux Urban
Vom Netzwerk:
unterhalten, während ich arbeite. So vergeht die Zeit schneller.“
    Ty hob den Kopf ein wenig an. Er öffnete mühsam seine trockenen Augen und blinzelte im schwachen, flackernden Licht einer Kerze, die neben ihm auf dem Boden stand. Ansonsten war es dunkel, vollkommen dunkel. Kein bisschen natürliches Licht drang zu ihm. Die Kälte und Feuchtigkeit gaben ihm das surreale Gefühl, im Wurzelkeller seiner Großmutter zu sein.
    „Arbeiten“, wiederholte er, als wolle er das Wort ausprobieren. Er schluckte schmerzhaft und räusperte sich dann. Das merkwürdige Kratzgeräusch setzte für einen Moment aus.
    „Nun ja, Sie dürfen da rumhängen und sich ausruhen während ich arbeite. Klingt nicht besonders fair, oder? Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie ansonsten nicht mit mir kooperieren würden. Deshalb sind Sie ja auch gefesselt.“
    Ty lehnte den Kopf wieder an die kalte Oberfläche hinter sich. Sie war rau, als bestünde sie aus Ziegel oder behauenem Fels. Er hatte geglaubt, seine Glieder seien nur zu schwer, um sie zu bewegen. Aber als er nun an seinen Armfesseln zerrte und erkannte, das er festgebunden war, wurde ihm bange ums Herz. Er hörte Ketten rasseln und runzelte verwirrt die Stirn. Er war an eine Wand gekettet? Ernsthaft? Nachdem er die Worte des Mannes gehört hatte, wurde ihm klar, dass er eine Art Seil um die Brust hatte, das unter seinen Armen durchlief und ihn aufrecht hielt, obwohl er zusammengesackt war. Fußeisen um die Knöchel fesselten ihn an die Wand.
    Er blinzelte wieder in die flackernde Dunkelheit hinaus. Der Mann schien ebenfalls bei Kerzenlicht zu arbeiten. Ty warf einen Blick auf die Kerze, die in einer Pfütze aus geschmolzenem Wachs zu seinen Füßen stand. Während er in die Flamme starrte, besann er sich auf halbvergessenes Wissen aus seiner Kindheit, das er als Erwachsener nie gebraucht hatte. In seiner Heimatstadt in West Virginia hatten die alten Bergleute immer von den Kerzen erzählt, die sie zusätzlich zu den Taschenlampen in die Minen mitgenommen hatten. Wenn die Flamme starb, machte man besser, dass man an die Oberfläche kam, oder man starb als nächstes. Denn das hieß, dass der Sauerstoff knapp war oder dass es schlicht keinen mehr gab. Kerzen waren billiger als Kanarienvögel.
    „Wir sind unter der Erde“, stellte er dümmlich fest.
    „Sehr gut!“, sagte die verzerrte Stimme sarkastisch. „Sie scheinen sich schneller zu erholen, als ich erwartet hatte. Glücklicherweise habe ich dafür vorgesorgt.“
    Ty runzelte die Stirn und drehte den Kopf zur Seite. Er stöhnte auf, da ihm bei der Bewegung schwindelig wurde. „Haben Sie den Jungen getötet?“, fragte er den Mann. Ein Unterton von Angst hatte sich in seine Stimme geschlichen, dessen er sich schämte.
    Der Mann antwortete mit einem kurzen Lachen. „Dem geht es bestens, das werden Sie schon sehen“, sagte er in scherzhaftem Ton und hielt dann wie gedankenverloren inne. „Ah, nein, das werden Sie ja gar nicht. Aber jemand anders ganz bestimmt. Vielleicht Ihr Partner.“
    Der Gedanke versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. Ty schloss die Augen. Zane. Sein Verstand war umnebelt, und er versuchte verzweifelt, sich zu sammeln. „Garrett wird darüber gar nicht erfreut sein“, eröffnete er dem Mann, während er vergeblich versuchte, seine Hände aus den antiken Handschellen herauszuwinden. Die Dinger saßen allerdings viel zu fest, und das raue Metall schnitt ihm in die Haut, als er an seinen Fesseln zerrte. „Du hast dir den Falschen zum Spielen ausgesucht.“
    „Das glaube ich nicht“, antwortete der Mann. Seine Stimme widerhallte von den unterirdischen Wänden. „Sie sind nämlich viel gefährlicher als Ihr Partner. Er ist drogensüchtig, und Sie waren das einzige, was ihn davon abgehalten hat, sich in Grund und Boden zu saufen, das wissen wir doch beide.“ Die Stimme klang merkwürdig zufrieden.
    Beim Zuhören wurde es Ty ganz kalt. Der Mann kannte sie gut, fast so, als wäre er bei ihren persönlichen Kämpfen dabei gewesen. Und Ty wusste auch, dass der Mann nicht die Absicht hatte, Zane am Leben zu lassen. Er hatte sich Ty nur zuerst geschnappt, weil Zane verletzt war.
    „Haben Sie mein Willkommensgeschenk gesehen?“, fragte die Stimme plötzlich. Die Frage klang hoffnungsvoll, beinahe so, als versuche er Ty zu gefallen.
    Ty schwieg und lauschte den seltsamen Kratzgeräuschen. Ein heftiger Schauer durchrann ihn. „Ja, hab‘ ich“, antwortete er schließlich leise, da er spürte, dass es

Weitere Kostenlose Bücher