Auf & Davon
gab es in Bluefield schon seit den sechziger Jahren keine Bergbauindustrie mehr. Aber schließlich schüttelte er nur den Kopf und biss ein Stück von seiner Fritte ab. „Denk’ dir einfach Dreck dazu“, sagte er mit einer Geste zu sich selbst.
Zane hatte Tys Gesichtsausdruck gesehen, bevor dieser ihn abschütteln konnte. „Wolltest du denn Bergmann werden?“, fragte er.
„Niemand will Bergmann werden“, antwortete Ty gleichmütig. Er musterte Zane nachdenklich, während er über den Rest seiner Antwort nachdachte. „Andererseits will aber auch niemand angeschossen werden“, fuhr er fort. „Ich hätte sowieso nicht Bergmann werden können—in Bluefield wird gar keine Kohle mehr abgebaut. Aber mein Daddy kümmert sich um die aufgelassenen Minen. Seit die stillgelegt wurden, arbeitet er dort als so eine Art Verwalter. Was heißt, dass er immer noch ständig in den verdammten Minen unterwegs ist. Er passt auf, dass sich da unten niemand verirrt oder verschüttet wird. Überwacht Einstürze. Und ich hätte dasselbe tun können. Oder ich hätte weggehen und woanders im Bergbau arbeiten können. Ich musste mir aussuchen, wovor ich mehr Angst hatte, vor engen Räumen oder davor, dass mir die Kugeln um die Ohren fliegen“, gab er zu. „Wie sich‘s herausgestellt hat, sind fliegende Kugeln letztendlich gar nicht so schlimm.“
Zane nickte und aß seinen Burger auf. Während er kaute, studierte er Ty, setzte die Einzelheiten zusammen, die er ihm so mühsam aus dem Kreuz geleiert hatte. Was er gerade über Ty erfahren hatte, ließ ihm den anderen Mann deutlich menschlicher erscheinen.
Ty widmete seine Aufmerksamkeit wieder seinem Essen, obwohl er Zanes Blick auf sich spüren konnte. Er ließ ihn einfach eine Weile starren. „Was brauchst du sonst noch von mir, Sherlock?“, fragte er schließlich nach einem Moment angespannten Schweigens. „Meine Blutgruppe? Meinen SAT-Punktestand in der College-Zulassung?“
Zanes zog die Stirn kraus. „Warst du auf dem College oder bist du gleich zu den Marines gegangen?“
Die Frage wurmte ihn offenbar gewaltig, aber Ty gab sich sichtlich Mühe, seine aufbrausende Reaktion zu unterdrücken. Er schnaufte laut und schob seinen Teller weg.
„Du hast von deiner College-Zulassung angefangen“, gab Zane zu bedenken.
Ty musste zähneknirschend eingestehen, dass er das Thema in der Tat selbst aufs Tapet gebracht hatte. „Ich war auf dem College“, presste er hervor. „Hat mir die Regierung bezahlt.“
Zane konnte sehen und fühlen, wie angespannt Ty schon wieder war. Er nickte langsam. „Daran gibt’s nichts auszusetzen“, sagte er. „Hattest du auch verdient.“
Ty warf Zane unter heruntergezogenen Brauen hervor einen finsteren Blick zu. „Willst du dich bei mir einschleimen, Lone Star?“
Mit einem hörbaren Klappern stellte Zane seinen Teller zur Seite. „Wenn du unserem Land im Militär gedient hast, dann hast du dir das verdient.“ Er meinte es todernst, das war ihm deutlich anzusehen.
Ty funkelte ihn noch einen Moment lang an und senkte dann wieder den Blick. „Dreizehn-zehn“, sagte er schließlich.
Zane zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich wieder zurück. „Gute Leistung“, nickte er anerkennend.
„Ach, leck’ mich doch“, brummte Ty und stocherte stirnrunzelnd in seinem Hühnchen herum.
„Der Landesdurchschnitt liegt bei elf-fünfzig“, sagte Zane. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. Hatte der harte Hund doch wahrhaftig ein Problem mit Komplimenten. Das war schon beinahe liebenswert.
„Ich finde es beunruhigend, dass du so etwas auswendig weißt“, eröffnete Ty seinem Partner.
Zane zuckte die Schultern. „Ich kann mir Zahlen eben gut merken.“
„Das finde ich auch beunruhigend“, erwiderte Ty, ohne eine Miene zu verziehen.
„Beunruhigend, hm? Vielleicht sollte ich das als Kompliment auffassen.“
„Was auch immer deinem Ego weiterhilft“, brummte Ty kopfschüttelnd. „Wie bist du eigentlich hier reingeraten?“ wechselte er das Thema.
Zane wog seine Worte sorgfältig ab. Er musste schließlich damit rechnen, dass Ty ihm alles, was er von sich preisgab, später wieder um die Ohren hauen würde. „Ich bin rein gesprungen.“
„Und dann ist die Sicherheitsleine gerissen?“ soufflierte Ty.
„Eigentlich hat sie eher jemand abgeschnitten und mich fallen lassen“, brummte Zane. „Ich war überhaupt nicht auf das vorbereitet, was mich an der Akademie erwartet hat.“
„Moment, Moment, lass mich mal
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