Auf & Davon
Verdammt, er kam sich ganz unbeholfen vor. Ihm tat alles weh, egal, wie vorsichtig er sich bewegte. Er schaute zu Ty auf, um abzuschätzen, ob dieser auch irgendwelche Schäden davongetragen hatte.
„Also was haben sie gewusst, ohne zu wissen, dass sie es wussten, das ihn dazu gebracht hat, gegen sie vorzugehen?“, fragte Ty umständlich. Er stützte die Hände in die Seiten und sah Zane untätig zu. Es machte ihm ziemlich zu schaffen, dass er den Mann selbst jetzt noch nicht verachten konnte. Obwohl Zane ihm eben diverse schmerzhafte Schläge versetzt hatte—in mehrfacher Hinsicht—fühlte Ty sich immer noch zu ihm hingezogen. Das war nicht fair.
Zane, der sich vorgebeugt hatte, um seine Timberlands aufzuschnüren, legte die Stirn in nachdenkliche Falten. „Vielleicht hatten sie herausgefunden, wer die fehlenden Akten hat?“ schlug er vor, weil das etwas war, dem er selbst weiter nachgehen wollte. “Vielleicht war jemand irgendwo, wo er nicht hätte sein sollen. Oder nicht hätte sein dürfen. Oder wo er gar nicht hätte sein können, weil er nichts davon wissen konnte. Und Sanchez und Reilly kam das komisch vor. Er hat Angst bekommen.“
„Aber wissen wir denn überhaupt, wie lange die Akten schon fehlen?“, konterte Ty zweifelnd. „Vielleicht wurden sie nur deshalb entfernt, um uns ins Archiv und zu der Bombe im Computer zu locken.“
Zane setzte sich auf und lehnte sich zurück, die Beine weit von sich gestreckt. Er runzelte die Stirn, während er sich Tys Idee durch den Kopf gehen ließ. Die Situation war ungemütlich und sein ganzer Körper pulsierte geradezu vor Schmerz, aber er tat das für den Moment achselzuckend ab. „Das heißt, es muss einen Zünder gegeben haben. Etwas, damit das Ding auch zum richtigen Zeitpunkt explodiert. Also muss er entweder dort gewesen sein, oder er hat den manipulierten Computer irgendwie überwacht.“
„Wer war noch da? War außer dir sonst noch jemand im Raum?“, fragte Ty stirnrunzelnd und setzte sich Zane gegenüber.
„Nur Henninger“, antwortete Zane, verdrehte die Augen und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. „Es war Mittagspause. Keine Angestellten im Büro.“
„Und Henninger wurde fast so schlimm verletzt wie du“, sagte Ty niedergeschlagen.
Zane zog die Schultern hoch und zuckte vor Schmerz zusammen. Er schaute zu den Fotos auf, die überall an den Wänden hingen. „Es kommt mir ungewöhnlich vor, wie clean das alles ist.“
„Was meinst du damit?“, fragte Ty zerstreut, drehte sich um und schaute ebenfalls die Bilder an. Es hatte funktioniert; er war jetzt wieder so in den Fall vertieft, dass er sowohl die restliche Spannung zwischen sich und Zane als auch die Nachwirkungen des Kampfes für den Moment außer Acht lassen konnte.
„Keine Hautreste. Keine DNA. Keine Fasern. Keine Fingerabdrücke. Keine Fremdkörper. Kein Verletzungsmuster. Kein erkennbares Motiv. Er hinterlässt überhaupt keine Spuren, an keinem einzigen Tatort. Keine der Untersuchungen hat auch nur einen einzigen verwertbaren Hinweis geliefert. Er weiß, wonach wir suchen“, murmelte Zane. Er war sich Tys körperlicher Nähe gerade sehr bewusst.
„Ja. Aber das ist heutzutage nicht mehr schwierig“, grummelte Ty und rieb sich die Seite. Ob nun der Tritt schuld war, den er abgekriegt hatte, oder ob seine Waffe dort einen Abdruck hinterlassen hatte, als er gegen die Wand und auf den Boden geknallt war, jedenfalls taten seine Rippen verdammt weh. „Er ist ein organisierter Täter. Die achten von vorneherein mehr auf Ordnung und Sauberkeit als die desorganisierten. Vielleicht inszeniert er seine Tatorte ja schon, bevor er das Opfer tötet. Vor zehn Jahren wäre das vielleicht ein Hinweis auf einen Polizisten oder Forensik-Experten als Täter gewesen“, seufzte er. „Heutzutage weist es allenfalls auf jemanden hin, der zu viel CSI schaut oder sich ein Lehrbuch ‚Forensik für Anfänger’ gekauft hat.
Zane seufzte und wackelte mit dem Unterkiefer, um sein Kiefergelenk zu lockern. Tys linke Gerade war nicht von schlechten Eltern. „Herrgott. Manchmal hasse ich die moderne Technologie.“
„Ja, nun“, äußerte Ty mit einem leichten, etwas abwesenden Lächeln. Er räusperte sich und blickte hinab auf seine zerschrammten Knöchel, die allmählich blau wurden, schürzte die Lippen und bewegte die Finger. Plötzlich verspürte er das Bedürfnis, sich bei Zane für den Kniestoß ins Gesicht zu entschuldigen. Aber er konnte sich nicht dazu
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