Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Der belgische Physiker Jan Broekaert hat nicht nur alle diese Textstellen aufgelistet, sondern er und andere haben auch nachgewiesen, dass diese Interpretation mit allen bekannten Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie übereinstimmt. 242 Es hat sich nur noch nicht genügend herumgesprochen, dass ein euklidischer gerader Raum mit variabler Lichtgeschwindigkeit das Gleiche ist wie ein gekrümmter Raum mit konstanter Lichtgeschwindigkeit. Als ich einmal mit einem befreundeten Physiker wandern ging, fiel diesem eine schöne Analogie ein: Der durch Berge und Täler kürzeste Weg im realen, gekrümmten Raum der Geländeoberfläche wäre nicht der kürzeste auf einer Wanderkarte, selbst wenn man Auf- und Abstiege mit gleicher Geschwindigkeit ginge – schließlich müssen auch die Höhenmeter zurückgelegt werden. Man würde diese Route in der Wanderkarte aber als schnellsten Weg einzeichnen, obwohl die Fortbewegung auf der Karte nicht immer gleich schnell ist. Ob im flachen Raum auf dem schnellsten Weg oder in einem gekrümmten Raum auf dem kürzesten, ist also egal. Wenn es egal ist, werden Sie fragen, worin liegt dann der Vorteil von Dickes Vorschlag?
Einerseits kann man zur Allgemeinen Relativitätstheorie eine identische Formulierung finden, bis zu dem Punkt, an dem Dicke den Brechungsindex berechnete, und dort eine unveränderliche Gravitationskonstante akzeptieren. Aber andererseits erlaubt der Ansatz an dieser Stelle die weiter gehende Idee von Dicke, dass alle Massen des Universums zum Brechungsindex beitragen könnten, ja er legt sie sogar nahe. Dies hätte die Allgemeine Relativitätstheorie abgeändert, und es liegt fast eine gewisse Tragik darin, dass Einstein sich letztlich doch für den gekrümmten Raum entschied, obwohl er die Inspiration durch Ernst Mach ausdrücklich würdigte. 243 Machs weiter reichende Idee, die Ursache der Gravitation seien alle anderen Massen im Universum, konnte sich so nicht entwickeln, erst Dicke griff sie 1957 wieder auf. Freilich war es weder Mach noch Einstein zu der Zeit möglich gewesen, den quantitativen Zusammenhang überhaupt zu sehen, denn erst nach Edwin Hubbles Entdeckung der Expansion um 1930 konnte man die Größe des Universums abschätzen. [77] Ohne diesen historischen Zufall hätte Einstein vielleicht die variable Lichtgeschwindigkeit 1915 nicht aufgegeben.
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It is the stars, the stars above us, govern our conditions. 244 – William Shakespeare
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BRAUCHT DIE NATUR DIE HUBBLE-EXPANSION?
Hubbles Entdeckung wurde zunächst als Auseinanderfliegen der Galaxien interpretiert, später als Expansion des Raumes selbst. Dies mag als mathematischer Kunstgriff funktionieren, aber die vielen Erweiterungen dieses heutigen Standardmodells der Kosmologie haben seine Glaubwürdigkeit doch untergraben. Spätestens nach der Entdeckung der beschleunigten Expansion geriet die Frage in Vergessenheit, warum sich der Kosmos überhaupt ausdehnt. Naturphilosophisch betrachtet ist aber sogar die Hubble-Expansion selbst eine Komplizierung der Naturgesetze, die erklärt werden will.
Dickes Artikel aus dem Jahr 1957 enthält auch dazu einen hochinteressanten Gedanken. Nach heutiger Vorstellung dehnt sich der Raum aus, gleichzeitig breitet sich darin Licht aus, was zu einer ziemlich unübersichtlichen Evolution des Universums führt, in der die Expansionsgeschwindigkeit manchmal über, manchmal unter der Lichtgeschwindigkeit liegt – so steht es in den Lehrbüchern. 245
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So wie das Kausalgesetz die schon erwachende Seele des Kindes sogleich in Beschlag nimmt und ihm die unermüdliche Frage „Warum?“ in den Mund legt, so begleitet es den Forscher durch sein ganzes Leben. – Max Planck
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Dickes Idee hingegen, dass die Anwesenheit von Massen die Lichtgeschwindigkeit verringert, hätte zur Konsequenz, dass die Lichtgeschwindigkeit mit der Zeit abnimmt! Denn aus dem Universum erreichen uns ja fortwährend Signale von immer neuen, entfernteren Massen, die ihren Einfluss auf den Brechungsindex geltend machen, der die Lichtgeschwindigkeit regelt. Direkt auffallen würde dies nicht, aber konsequenterweise müssten auch die Wellenlängen und Frequenzen des Lichts dauernd etwas kleiner werden – alles nicht so tragisch.
Dicke wartete nun aber mit einem Paukenschlag auf: Er zeigte, dass eine Lichtwelle, die im Universum unterwegs ist, ihre Wellenlänge stets beibehalten muss. Begegnet sie später jenen, die an der Verkleinerung teilgenommen haben, erscheint die aus großer
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