Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Entfernung herbeigereiste Welle länger, das heißt ins Rote verschoben. Dies ist Hubbles Beobachtung! Wohlgemerkt: Dieser Effekt findet in einem Universum statt, in dem alle Massen stillstehen, lediglich ihr Licht, das aus einer früheren Epoche mit großen Wellenlängen stammt, gaukelt uns eine von uns weg gerichtete Geschwindigkeit vor. Damit wäre auch das unverständliche Durcheinander von Lichtausbreitung und Expansionsbewegung des Standardmodells beseitigt: Nichts expandiert, lediglich Licht breitet sich aus.
Die fortwährende Verkürzung der Wellenlängen, also unserer Maßstäbe, würde dazu führen, dass uns Distanzen immer länger erscheinen, was wir als Expansion wahrnehmen, mit einem wichtigen Unterschied: Es gäbe keinen Grund für eine Abbremsung der Expansion wie in der Standardkosmologie. Weil diese Abbremsung bei den Supernovae-Daten tatsächlich nicht beobachtet wurde, interpretierte man dies als kompensierende ‚beschleunigte‘ Expansion. Vielleicht ist die Expansion aber weder beschleunigt noch gebremst, sondern eine Illusion, die durch veränderliche Maßstäbe erzeugt wird.
KEINE ZEIT MEHR FÜR VOR DEM URKNALL
Blickt man auf die Ungereimtheiten des Urknallmodells, zeigt Dickes Modell noch einen weiteren interessanten Aspekt: Als größte Dichte tritt dort die Dichte der Atomkerne auf, 246 während im Standardmodell bedenkenlos in Zeiten zurückextrapoliert wird, in denen die Dichte des Universums um ein Vielfaches höher als die der Kerne gewesen sein soll. Als ob irgendjemand auch nur die geringste Ahnung hätte, welche Naturgesetze unter diesen Extrembedingungen gelten! Dickes Modell hingegen würde dazu passen, dass man im Universum praktisch keine höhere Dichte als die der Kerne bzw. der Neutronensterne beobachtet. Diese Dichte wäre die größtmögliche im Universum und hätte zum ersten Mal eine logische Bedeutung. Das macht nachdenklich, weil genau solche Ursachen in der Kern- und Elementarteilchenphysik fehlen. Verfolgt man Dickes Gedanken, tun sich auch in dieser Hinsicht ganz neue Möglichkeiten auf: Wenn die Lichtgeschwindigkeit veränderlich ist, kann sie dann gleich null werden? Könnten Lichtwege auf mikroskopischer Ebene so gekrümmt sein, dass sich gar winzige Kreisbahnen ergeben, die Elementarteilchen darstellen?
Und es gibt noch eine weitere bedeutsame Folgerung aus Dickes Modell, die er selbst gar nicht so herausgestellt hat. Niemand – außer vielleicht Julian Barbour – hinterfragt heute den Begriff der Zeit und kratzt an ihrer Definition. Augenfällig wird dies beim Urknall, der im konventionellen Modell willkürlich den Zeitnullpunkt festsetzt. Was soll das für einen Sinn haben? In Dickes Modell dagegen nimmt die Lichtgeschwindigkeit mit der Zeit ab, und daraus folgt eine entsprechende Abnahme der Schwingungsfrequenzen der Atome. Da Atome nichts anderes als Uhren sind, heißt dies, sie müssen früher schneller gelaufen sein, und im Extremfall eines Universums mit winziger Größe sogar unendlich schnell. Das bedeutet, in momentan gültigen veränderlichen Maßstäben könnten die Uhren seit dem Urknall bereits unendlich lange gelaufen sein, während gemessen an unseren heutigen Zeitmaßstäben der Urknall nur eine endliche Zeit zurückläge. Ein faszinierender Beitrag zu einem alten Problem, der ein bisschen tiefer geht als die heute im Umlauf befindlichen Theorien ‚vor dem Urknall‘.
GENIAL, ABER AUS DER MODE
Dickes Vorschlag würde dazu zwingen, alle Beobachtungen im Universum mit langsam veränderlichen Maßstäben zu interpretieren. Die abnehmenden Wellenlängen würden zu einer permanenten Verkürzung des Meters, die abnehmenden Frequenzen hingegen zu einer Verlängerung der Sekunde führen – sicher eine ungewöhnliche Vorstellung, die aber auch neues Verständnis erhoffen lässt. Warum ist diese vielversprechende Theorie von Robert Dicke aus dem Jahr 1957 nicht bekannter geworden? Ich frage mich das oft.
Abgesehen davon, dass viele theoretische Artikel oft von kaum jemand anderem als dem Autor selbst gelesen werden, hat Dicke wohl selbst ein Haar in der Suppe gefunden. So berichtet ein anderer Gravitationsforscher, 247 dass Dicke für einen wichtigen Test der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Verschiebung der Bahnellipse des Merkur, angeblich nicht den richtigen Wert erhalten habe. Möglicherweise hat er sich aber einfach verrechnet, denn die Korrektheit der Beschreibung mit variabler Lichtgeschwindigkeit wurde inzwischen ganz allgemein gezeigt.
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