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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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248 Jedenfalls hat Dicke seinen einfachen, aber revolutionären Ansatz kurze Zeit später selbst verwässert, indem er eine variable Gravitationskonstante an Einsteins Theorie anklebte, anstatt diese grundlegend abzuändern. Leider hat dieses Hybrid unter dem Namen ‚Brans-Dicke-Theorie‘ oder ‚Skalar-Tensor-Theorie‘ ziemlich große Aufmerksamkeit erregt, sodass sich Dicke in der Folgezeit wohl darauf konzentrierte. Jahrelang wurde sie als ernste Alternative zu Einsteins Theorie diskutiert, bis sie schließlich durch präzise Beobachtungen immer unwahrscheinlicher wurde. Wenn ich andere Physiker auf Dickes Ideen anspreche, erinnern diese sich sofort an die Brans-Dicke-Theorie von 1961, aber niemand kennt die pure Form von 1957, die wirklich interessant ist. Dass von seinem Doktoranden und Mitautor der Verschlimmbesserung, Carl Brans, keine großen Geistesblitze ausgingen, kann man einem Rückblick 249 entnehmen, in dem Brans sich über die Versuche Einsteins völlig uninformiert zeigt und dann auch noch schreibt, es gebe immer mehr Evidenz für die kosmische Inflation. Ich glaube, Dicke hätte sich im Grab umgedreht.
    Sehr schade ist hingegen, dass Dicke seine Theorie nicht näher mit Paul Dirac diskutiert hat, auf dessen Ideen sie auch aufbaute. Stattdessen gab es nur einen kurzen Dialog in der Zeitschrift Nature , in dem sie sich offenbar missverstanden. 250 Vielleicht würde die Kosmologie heute anders aussehen, hätten diese beiden Visionäre zusammengearbeitet.

DER SCHLÜSSEL ZUM RÄTSEL? DIRACS KOSMISCHE ZAHL MIT FAST VIERZIG NULLEN
    Kleine Magnete können die von der ganzen Erde ausgehende Schwerkraft besiegen und geben uns einen Eindruck, wie schwach die Gravitation ist. Vergleicht man die elektrische Kraft zwischen Proton und Elektron im Wasserstoffatom mit der Gravitationskraft ihrer winzigen Massen, so erhält man einen Faktor von 2,3  ·  10 39 , eine Zahl mit fast 40 Nullen, die jeden anschaulichen Maßstab sprengt. Sie ist übrigens eine der ganz wenigen reinen Zahlen, die uns die Natur mitteilt, Antwort auf eine Frage, die wir mit ein paar Versuchsapparaten stellen können. Aber niemand kann sie berechnen. Wäre es eine kleine Zahl, könnte man hoffen, sie mit einer originellen mathematischen Überlegung herzuleiten, die vielleicht die Kreiszahl π enthält oder Ähnliches. Aber 10 39 ? Schwerlich.
    (16) Paul Dirac
    Zu dieser Überzeugung kam auch Paul Dirac, der sicher kein schlechter Rechner war. Sollte der Mensch unfähig sein, dieses Rätsel zu lösen? Diracs Verstand weigerte sich zu kapitulieren, und ihm fiel auf, dass eine weitere so große Zahl an anderer Stelle auftritt: 251 Teilt man den Radius des Weltalls, also die Entfernung des sichtbaren Horizonts, durch den Radius des kleinsten stabilen Teilchens, des Protons, so erhält man ebenfalls eine Zahl mit 40 Nullen.
    Letztere ist etwas größer als das Kräfteverhältnis und nicht so genau messbar, jedoch sind beide Zahlen offenbar in der gleichen Größenordnung. Besteht ein Zusammenhang? Sicher hätte dies Ernst Mach in seiner Vermutung bestärkt, die Kleinheit der Gravitation hänge mit der Größe des Universums zusammen. Dirac war fasziniert und überzeugt, dass dieser Gedanke weiterentwickelt werden muss: 252
    „So ein Zusammentreffen, könnte man vermuten, beruht auf einem tiefen Zusammenhang in der Natur zwischen Kosmologie und Atomtheorie.“
PROSA HILFT HIER NICHT WEITER
    Bevor wir Diracs Überlegungen weiter folgen, vielleicht ein paar Bemerkungen zu dem sehr unterschiedlichen Gewicht, das man ihnen heute beimisst. Wohl alle Physiker sehen das größte Problem der Physik in der Unvereinbarkeit von Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantentheorie. Die zahlreichen Vorschläge, diesen Widerspruch aufzulösen, füllen Bücher über ‚Quantengravitation‘ und haben eine Strategie gemeinsam: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Man kann nicht zwei Theorien vereinigen, ohne eine oder gar beide samt ihrer Naturkonstanten anzutasten. Gewöhnlich wird aber insbesondere die Gravitationskonstante G als Reliquie behandelt. Auf Nachfrage bekommen Sie übrigens jede Menge Gründe zu hören, worin die Unvereinbarkeit von Quanten- und Gravitationstheorie denn genau besteht. Der kürzeste lautet: Man versteht die Zahl 10 39 nicht, die das elementarste Quantensystem, ein Wasserstoffatom, als Kräfteverhältnis in sich trägt. Jede denkbare Vereinigung muss dieses Verhältnis von elektrischer zur Gravitationskraft herleiten können.

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