Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Denn auch die genialste Theorie würde einen schalen Nachgeschmack behalten, wenn sie sich am Ende der nur gemessenen Größe der Naturkonstanten bedient – man kann schließlich nicht behaupten, die Naturkräfte erklärt zu haben, nicht aber ihre Stärke.
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Während Einstein wissen wollte, ob das Universum notwendig aus den Naturgesetzen entstand, erklären seine Nachfolger nun, dass diese unweigerlich durch das Aussehen des Universums bestimmt sind. 253 – David Lindley
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Die Kleinheit der Gravitation nicht zu verstehen, heißt die Gravitation selbst nicht zu verstehen. Natürlich gibt es heute viele Theoretiker, die sich mit einem bunten Strauß von Naturkonstanten zufrieden geben. Aber Leute vom Kaliber eines Paul Dirac sahen die Aufgabe der Physik darin, Ursachen zu finden. So bleiben alle Versuche, eine Quantengravitation zu konstruieren, letztlich hilflose Prosa, solange sie keinen Ansatz liefern, die Zahl 10 39 zu erklären. Vielleicht ist das nicht für alle angenehm zu hören. Aber Diracs Idee ist bisher die einzige.
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Man beschäftige sich nicht mit Teilproblemen, sondern nehme dort Zuflucht, wo sich eine freie Sicht über das einzige große Problem bietet, auch wenn diese Sicht noch nicht klar ist. 254 – Ludwig Wittgenstein
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SPEKULATION UND IHRE WORTVERDREHER
Gelegentlich wird Diracs Hypothese als Spekulation verunglimpft, insbesondere von jenen, deren theoretische Fantastereien jede Bodenhaftung verloren haben. Es ist ungefähr so, als würde ein Finanzjongleur der Wall Street einen armen Goldgräber, der hofft, einen Schatz zu heben, als ‚Spekulanten‘ verspotten. Wenn man an die finanzielle Ausstattung der Forschungsgebiete denkt, hat diese Metapher leider auch direkte Parallelen. Aber wie auch immer: Es handelt sich um einen dummen Missbrauch der Doppelbedeutung des Wortes ‚Spekulation‘, denn auch Alfred Wegeners Beobachtung der Kontinentformen hätte man so bezeichnen können.
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Was wirklich zählt, ist Intuition. – Albert Einstein
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Solche wertvollen Hinweise braucht eine noch nicht geklärte Theorie sehr wohl: das Hinterfragen einer scheinbaren Zufälligkeit, die einen verborgenen Zusammenhang anklingen lässt. Und das meinte wohl auch Charles Darwin mit seiner Aussage, ohne Spekulation gebe es keine Wissenschaft. Man beachte etwa das folgende Beispiel einer ‚bloßen Spekulation‘ aufgrund eines zahlenmäßigen Zusammenhangs:
„Diese Geschwindigkeit ist so nahe an der Lichtgeschwindigkeit, so dass wir einen starken Grund zu der Annahme haben, dass das Licht selbst … eine elektromagnetische Welle ist.“ – James Clark Maxwell, 1865
Es handelte sich um die vielleicht wichtigste Entdeckung der Neuzeit. Mein Adrenalinspiegel steigt daher regelmäßig, wenn heute ähnliche Zusammenhänge zwischen Naturkonstanten als Zahlenspielerei, Zahlenmystik oder Numerologie abgetan werden.
Solche Visionen sind umso glaubwürdiger, je unwahrscheinlicher eine zufällige Übereinstimmung wäre. Und nun kommt eine weitere Überraschung: Schätzt man die Anzahl der Protonen im Universum ab, so erhält man etwa 10 78 – das Quadrat der Zahl 10 39 . Soll auch das noch Zufall sein? Daran mochte Dirac wirklich nicht mehr glauben, schließlich haben die beiden Koinzidenzen nichts miteinander zu tun. Seine Beobachtung der Teilchenzahl kann man auch so veranschaulichen: Mit allen Protonen im Kosmos könnte man gerade die Oberfläche des sichtbaren Universums bedecken. Da diese mit der Expansion anwächst, die sichtbare Teilchenzahl jedoch nicht, erscheint dies auf den ersten Blick widersinnig.
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Die Leute zweifeln viel zu sehr an Koinzidenzen. – Isaac Asimov, amerikanischer Biochemiker
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Diracs zweite Hypothese wäre also mit der Standardkosmologie komplett unvereinbar, selbst wenn man diese noch mit weiteren freien Parametern verzierte. Denn eine Teilchenzahl, die mit der zweiten Potenz der Ausdehnung, also wie eine Fläche wächst, ist inhärent widersprüchlich zu einem Universum mit Volumen, das bekanntlich zur dritten Potenz der Ausdehnung proportional ist. Diracs Idee würde also unsere bisherigen Vorstellungen über Raum, Dichte und Volumen komplett über den Haufen werfen. Und gerade deshalb muss man sie ernst nehmen.
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Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vorne herein ausgeschlossen erscheint. – Albert Einstein
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WARUM SIND ELEMENTARTEILCHEN SO, WIE SIE SIND?
Die Teilchenzahl im Universum hängt
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