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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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über das Gesagte nach? Die Hoffnung zerstob, denn nach einer unerträglich langen Pause sagte Dirac nur: „Wo ist das Postamt?“ Die beiden boten ihm sogleich beflissen an, sie könnten ihn dorthin begleiten, wenn er vielleicht auf dem Weg etwas erläutere. „Ich kann nicht zwei Dinge gleichzeitig tun“, antwortete Dirac trocken. 260 Einem anderen Physiker, der ihm seine neue Idee zur Quantenelektrodynamik vorstellen wollte, beschied er angeblich, er solle wiederkommen, wenn er damit die Feinstrukturkonstante berechnet habe. Man kann nur spekulieren, wie Dirac Stringtheoretiker verabschiedet hätte, wären sie mit einer Multiversumserklärung angekommen.
    Natürlich muss ein numerischer Zusammenhang zuerst in ein Konzept münden, bevor daraus eine Theorie entstehen kann. Was könnte hinter Diracs Überlegungen zum Logarithmus stehen? Ein Gedankenspiel: Mathematisch entsteht der Logarithmus durch Integration einer Funktion, was nichts anderes ist als das kontinuierliche Zusammenzählen der oben erwähnten Kehrbrüche. Da sich viele Funktionen in der Physik umgekehrt proportional zum Abstand, also wieverhalten, könnte ein Faktor wie 137 durch eine Integration bis an den Rand des sichtbaren Universums entstehen. Neben der Gravitation, wie Ernst Mach vermutete, hätte dann auch der Elektromagnetismus einen Bezug zur Größe des Universums. Das würde bedeuten, dass die Zahl 137,035999 … nicht von der Natur ein für alle Mal vorgegeben war, sondern sich im Laufe der Zeit stetig auf diesen Wert erhöht hat: Die elektrische Kraft würde sich damit abschwächen, während sie früher so stark gewesen wäre, dass schwere Elemente ihre Elektronen zu einer überlichtschnellen Bahngeschwindigkeit gezwungen hätten. Da das unmöglich ist, hätte anfangs tatsächlich nur Wasserstoff existiert – erst mit der Zeit hätte sich der Kosmos den Reichtum an chemischen Elementen gestattet.
    Mir gefällt diese fast romantische Konsequenz von Diracs Idee, ich darf aber auch ein Gegenargument nicht verschweigen. Wie schon bei der Gravitationskonstanten gibt es bisher keinen experimentellen Hinweis darauf, dass sich die Feinstrukturkonstante ändert. Zwar wäre die relative Abnahme nach Diracs Vorhersage noch einmal um einen Faktor 137 kleiner als die der Gravitationskonstanten, aber es gibt Laborexperimente, die dies auszuschließen scheinen. 261
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    Die Tragik der Wissenschaft – der Tod einer schönen Theorie durch eine hässliche Tatsache. – Thomas Huxley, britischer Biologe
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    Dagegen ist die Abweichung der Feinstrukturkonstanten im frühen Universum, wie sie von Astronomen nach der Analyse von Quasarspektren behauptet wurde, ziemlich merkwürdig und nicht unumstritten. 262 Abgesehen davon müsste man in einer Diracschen Kosmologie Daten aus dem frühen Universum anders interpretieren.
VOGEL-STRAUSS-ELEKTRODYNAMIK
    Diracs Idee mit dem Logarithmus ist sicher nicht so zwingend, weil 137,035999 … eine Zahl ist, die ‚nur‘ Elektrodynamik und Quantenmechanik verbindet. Ob dies letztlich ohne die Gravitation geht, mag man bezweifeln, jedoch sind Alternativen nicht in Sicht. Aber selbst wenn man diese Sicht der Dinge nicht teilt, so sind doch die Koinzidenzen der großen Zahlen 10 39 und 10 78 zu unwahrscheinlich, um rein zufällig zu sein, vor allem wenn man sie wie Robert Dicke mit einer Kosmologie mit variabler Lichtgeschwindigkeit verbindet. Konsequenz einer solchen wäre jedoch auch, dass man die Elektrodynamik neu formulieren müsste.
    Diese Aussicht ist für die meisten theoretischen Physiker so beängstigend, dass man die Möglichkeit erst einmal gründlich verdrängt oder ein Denkverbot aufstellt wie in einem Artikel, der damit auch Einsteins Spezielle Relativitätstheorie in Gefahr sah. 263 Dass Einstein bei seinen eigenen Überlegungen zur variablen Lichtgeschwindigkeit sich dessen nicht bewusst war oder gerade mal vergessen hatte, dass c auch in den Maxwell-Gleichungen vorkommt, will mir nicht recht einleuchten. Wenn Sie sich an den dritten Abschnitt erinnern, war die Elektrodynamik ohnehin widersprüchlich, weil sie die Lichtabstrahlung von stark beschleunigten Ladungen nicht beschreiben kann. Der Grund dafür lag darin, dass die Theorie von Maxwell ihrem einfachsten Teilchen, einer harmlosen Ladung, eine unendlich große Energie und damit unendliche Masse zuschreibt. Reparaturbedarf liegt hier also durchaus vor.
    Dass man eine Änderung der Elektrodynamik nicht angeht, sondern sie unter Denkmalschutz

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