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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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langsamer geworden. Und ebenfalls würden die Längen- und Frequenzmaßstäbe schrumpfen, auf die sich die Änderung der Lichtgeschwindigkeit verteilt.
    Leider übersah Dicke, dass die Verkürzung der Längenmaßstäbe das Universum wieder etwas größer erscheinen lässt – genau um den Betrag, wie er Diracs Beobachtung mit dem Exponenten 2 entspricht. Dabei gibt Dicke den Effekt der Maßstabsverkürzung ausdrücklich an. 255 Tragisch ist auch, dass Dirac in seinem Artikel von 1938 die Ausdehnung des Horizonts ganz ähnlich berechnete – statt mit der Quadratwurzel mit der Kubikwurzel der Zeit –, was ja dem Ansatz von Dicke ähnelte. [81] Da Dirac in diesem Zusammenhang jedoch die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht weiter reflektierte, stimmte er nicht mit Dicke überein – und Dicke wegen seines Rechenfehlers nicht mit Dirac. Wie knapp die beiden aneinander vorbeigeredet haben! Es ist jedenfalls ziemlich sensationell, dass Dickes Modell der Gravitation von 1957 perfekt mit den Diracschen Beobachtungen übereinstimmt – und zusätzlich mit allen gängigen Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie.
    Vielleicht werden Sie sich jetzt ob dieser verwunderlichen Geschichte die Augen reiben und sich fragen, warum die Gravitationsphysiker sich nicht auf Dickes Modell aus dem Jahr 1957 stürzen. Wie so oft, gibt es dazu ein Gegenargument, das meist unreflektiert nacherzählt wird. Dirac kam schon bei seinen ersten Überlegungen über die Zahl 10 39 zu dem Ergebnis, dass die Gravitationskonstante G mit der Zeit abnehmen müsste, wenn das Universum expandiert. [82] Diese Vorhersage fand durchaus Beachtung, und tatsächlich gibt es dazu eine Reihe von Beobachtungen: 256 Sie scheinen gegen Dirac zu sprechen, denn die Änderungsrate von G, die er vorhersagte, sah man nicht. Obwohl man einige der Analysen hier gerne wiederholen möchte, sieht die Datenlage im Moment tatsächlich schlecht für Diracs Hypothese aus. Wie sehr die Gravitationsphysiker dabei aufatmen, ist aber ein bisschen verdächtig. Denn der Grund der Ablehnung seines Modells ist nicht eine Widerlegung, die schon hundertprozentig überzeugend wäre, sondern sicher auch der Umstand, dass das Standardmodell der Kosmologie komplett aufgegeben werden müsste, hätte Dirac recht. Die fehlgeschlagene Vorhersage wird daher mit Erleichterung aufgenommen, weil man sich so nicht mit den weitreichenden Konsequenzen seiner Hypothese beschäftigen muss.
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    Ein Gedanke, der nicht gefährlich ist, ist nicht wert, als Gedanke zu gelten. – Oscar Wilde
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DIRAC – GEHÖRT – GELESEN
    So wird auch weithin ignoriert, wie Dirac überhaupt zu seiner Vorhersage kam. Schaut man ein wenig genauer in seinen Artikel, so scheint die Abnahme von G zwar aus den großen Zahlen zu folgen, aber auch nicht ganz zwingend. Im Gegensatz zu Dicke geht Dirac nämlich nicht von einer Veränderlichkeit der Zeit- und Längenmaßstäbe aus, was aber erforderlich wäre. Möglicherweise sorgt dies dafür, dass die Abnahme der Gravitationskonstanten genau den Experimenten entgeht, die man dafür für sensibel hält, denn keines davon wurde bisher mit Hilfe der kontrahierenden Maßstäbe aus Dickes Modell ausgewertet: Zum Beispiel würden die veränderlichen Zeit- und Längenmaßstäbe auch die Messung von Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und damit die der trägen Massen beeinflussen. Das Ganze wäre nicht einfach, aber doch hochinteressant. Warum kümmert sich trotzdem niemand darum?
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    Hypothesen sind Netze, nur der wird fangen, der auswirft. – Novalis
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    Mir fällt immer wieder auf, dass man bestimmte Ideen nur nach der Lektüre des Originals wertschätzen kann, denn oft entfaltet die Argumentation nur dort ihre volle Überzeugungskraft. Aber lesen Forscher so alte Aufsätze? Ich kann dazu nur eine frustrierende Anekdote erzählen. Zu einem Artikel, der die Diracschen Ideen recht oberflächlich abtat, schrieb ich einmal einen kurzen Kommentar, in dem ich hervorhob, die Änderung der Gravitationskonstanten folge noch nicht aus Diracs Beobachtung der großen Zahlen – was ja stimmt [83] –, und ich fügte hinzu, auch Dirac habe dies nicht explizit behauptet. Meine Erinnerung trog mich aber, denn Dirac hatte dies – leider – tatsächlich geschrieben, und nun wartete ich bange auf die Replik des Autors. Was aber entgegnete er? Er ließ sich von seiner Ansicht, Diracs Hypothesen seien obsoletes altes Zeug, nicht abbringen, gab mir aber recht in meiner unbedachten Aussage!

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