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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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US-Marine, sich dafür begeisterte. Er hatte bei John Wheeler Vorlesungen über Gravitation gehört und konstruierte bald einen Detektor aus einem großen Metallzylinder, der durch die Gravitationswellen zum Vibrieren angeregt werden sollte – auf diese Weise erreichte er eine äußerst hohe Empfindlichkeit bei einer bestimmten Frequenz.
    Bald berichtete Weber von einem sensationellen Ergebnis: Ein identisches Gravitationswellensignal sei fast gleichzeitig an getrennten Orten registriert worden. Noch heute ist diese Methode der Koinzidenz entscheidend, um aus dem durch zahlreiche Störungen erzeugten Rauschen die echten Signale herauszufiltern: Die Lage der beiden Detektoren zueinander sowie der Zeitunterschied müssen dabei der Lichtgeschwindigkeit entsprechen, mit der die Wellen nach der Einsteinschen Theorie unterwegs sind. Weber behauptete solche Koinzidenzen und publizierte 1969 einen Artikel Evidence for Discovery of Gravitational Radiation in Physical Review Letters, was ihm große Aufmerksamkeit einbrachte. Aber es führte auch dazu, dass bald andere seine Versuche wiederholten.
DAS BÖSE ERWACHEN
    Es schien ungewöhnlich, dass Gravitationswellen mit Webers Metallzylinder detektierbar waren, indem sie diesen verformten. Die Stärke von Gravitationswellen gibt man als Verhältnis der Deformation eines Körpers zu seinen Abmessungen an, und die von astronomischen Ereignissen erwarteten Werte sind deprimierend gering – etwa 10 −20 . Das heißt, die ganze Erde würde sich nur um den Bruchteil eines Atomdurchmessers verformen, würde sie von einer kräftigen Welle getroffen.
    Bald wurde etwa ein Dutzend dieser Antennen gebaut, aber die Forscher konnten Webers Ergebnisse nicht reproduzieren. Auf Konferenzen Anfang der 1970er Jahre kam es zu heftigen Streitigkeiten. 117 Man nannte Weber einen Scharlatan, womit man ihm Unrecht tat, denn er war von seinen Beobachtungen ehrlich überzeugt und meinte, die anderen gäben sich einfach nicht genug Mühe, das Rauschen zu eliminieren. Endgültig das Genick brach ihm wohl, dass er bei einer Auswertung vergessen hatte, die unterschiedlichen Zeitzonen zu berücksichtigen, aber trotzdem seine Koinzidenzen präsentierte, die damit als statistisches Artefakt entlarvt waren. Mehr und mehr entwickelte Weber sich zu einer tragischen Figur. Ein Physiker beschrieb ihn so: 118
    Joe kam ins Labor und drehte so lange an allen Knöpfen, bis er ein Signal hatte, und dann nahm er Daten auf … Erst danach definierte er, was als Schwelle des Rauschens zu gelten hatte, und probierte auf zwanzig verschiedene Arten, die Daten zu analysieren, bis endlich etwas sichtbar wurde und er sagte: „Aha, da haben wir es.“ Wenn dann jemand kam, der etwas von Statistik verstand und seine Methode zerpflückte, antwortete er: „Was meinst Du? Als wir im Krieg nach Radarsignalen Ausschau hielten, probierten wir auch so lange herum, bis wir es hatten.“ – „Ja, Joe, aber da sendete auch jemand ein Signal.“ Und Joe verstand dies nie.
    Weber wird heute oft als schlechter Wissenschaftler dargestellt, was zum Teil stimmt. Doch die Gefahr, ein erwünschtes Ergebnis zu bevorzugen und experimentelle Methoden daraufhin anzupassen, besteht auf vielen Gebieten der Physik. Seine Ergebnisse waren anfangs keineswegs offensichtlich falsch, und weitere Experimente wurden mit Spannung erwartet. In Webers Zylinder war Umgebungswärme die dominierende Störungsquelle, und so baute man Tieftemperaturdetektoren, ohne jedoch die Gravitationswellen zu finden.
    Das Thema erhielt in den 1970er Jahren weiteren Auftrieb, als man einen Pulsar in einem Doppelsternsystem näher untersuchte: Die beiden Sterne umkreisten sich immer langsamer, so als würden sie Energie verlieren – eine naheliegende Ursache war die Abstrahlung von Gravitationswellen! Dieses Pulsarsystem und andere werden seither als indirekter Beweis für die Existenz der Wellen gesehen, und der beobachtete Energieverlust dient als Berechnungsgrundlage für das Design von Detektoren.
    Weitere Ereignisse, die Gravitationswellen abstrahlen müssten, sind Supernova-Explosionen. Anfang 1987 wurden die Astronomen von einer Supernova in der großen Magellanschen Wolke überrascht (einer Begleitgalaxie der Milchstraße), und man blickte natürlich auf die Gravitationswellenforschung. Dummerweise waren die Tieftemperatur-Detektoren, die ein Signal wohl hätten nachweisen können, gerade ausgeschaltet, 119 während der unermüdliche Weber behauptete, ein Signal

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