Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
neueren Astrophysik verbreitet. Offenbar sehen manche keinen anderen Ausweg mehr, als das Nachdenken über die Naturgesetze den immer schnelleren Rechenmonstern aufzutragen. Der Astronom Robert Sanders schreibt dazu in seinem Buch The Dark Matter Problem sarkastisch: 132
„Sind die zu wenigen Begleitgalaxien schon eine Falsifizierung? Aber nein … Die Sterne könnten ja erloschen sein oder Supernovae das Gas weggeblasen haben … Das Vertrauen, die Erwartungen des Dunkle-Materie-Modells mit normaler Physik in Einklang zu bringen, hat zu der Industrie der ‚semi-analytischen‘ Modellbildung geführt. Hier werden kaum verstandene Aspekte der dissipativen [44] Effekte in Galaxien wie zum Beispiel Gaskühlung, Sternbildung oder Supernova-Turbulenzen mit einfachen Gleichungen beschrieben, in denen ein paar frei wählbare Parameter stecken … Ich zähle acht davon, und wenn man sie angepasst hat, gilt das Modell als erfolgreich.“
Wie Sanders weiter bemerkt, wird das Standardmodell der Kosmologie auf diese Weise immun gegen Widerlegung: Letztlich gibt es keine Beobachtung, die man nicht mit freien Parametern, also willkürlichen Zahlen, irgendwann an das Modell anpassen könnte. Eine besondere logische Rolle rückwärts findet sich in der Behauptung, alternative Gravitationstheorien seien durch diese oder jene Beobachtung ausgeschlossen. Wissenschaftstheoretisch blanker Unsinn, wurde diese These beispielsweise verbreitet, als man Daten aus dem Galaxienhaufen Bullet Cluster als „direkte Beobachtung von Dunkler Materie“ vermarktete. In der Tat ging die computergenerierte farbige Darstellung von normaler und Dunkler Materie um die Welt, und viele Gläubige des Standardmodells haben das Bild immer unter ihren Power-Point-Folien, um damit reflexartig auf Zweifler an ihrem Weltbild zu feuern. Bullet heißt übrigens Gewehrkugel.
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Eine törichte Übereinstimmung ist der Kobold kleiner Geister. – Ralph Waldo Emerson, amerikanischer Philosoph
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Aber zur Sache: Zunächst handelt es sich um den Ausnahmefall einer Galaxienkollision, die in ihren Komplikationen keineswegs voll verstanden ist. [45] Das Bild zeigt einerseits Gaswolken, die sich durch ihre Röntgenstrahlung bemerkbar machen und sichtbare Zeichen eines Zusammenstoßes aufweisen, und andererseits davon abgesondert die Verteilung der Dunklen Materie, die man aus der Ablenkung des Lichtes von Hintergrundgalaxien berechnet hat. Die räumliche Trennung ist durchaus bemerkenswert, aber ‚direkte Beobachtung‘ ist doch etwas anderes. Im Übrigen suggeriert das Bild, dass sich die Dunkle Materie für die Kollision herzlich wenig interessiert hat: Angeblich stoßen ihre Teilchen nicht gegeneinander. Daran, dass dies oft als Ausrede für Fälle dient, in denen man nichts sieht, stößt sich auch niemand. Zudem gehen in die Interpretation eine Reihe von Annahmen ein: eine stabile Verteilung des heißen Gases und eine gleichmäßige Dichte, die nicht unabhängig überprüfbar sind, obwohl von ihnen die Abstrahlung stark abhängt. Tom Shanks, ein erfahrener Kosmologe an der Universität Durham, schrieb dazu: 133
„Das ist ein hübsches farbiges Bild, aber wissenschaftliche Resultate erscheinen, wie immer, eher in Graustufen! Das Grundproblem ist, dass der Haufen nicht so klar die Galaxien vom Gas trennt, wie das die blau und rot gefärbten Bereiche des Bildes glauben machen. (…) Also ist die Schlussfolgerung, dass Dunkle Materie dominiert, rein piktographisch und das eigentliche Resultat heißt, dass das Gas und die Masse überall im gleichen Verhältnis zueinander stehen!“
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese gewiss interessante Galaxienkollision in Szene gesetzt wurde, um Zweifler an der Dunklen Materie auf Kurs zu halten und ein universell verwendbares Argument gegen alternative Ansätze zu schaffen.
NAHE WIDERSPRÜCHE UND WEITSICHTIGE KOSMOLOGEN
Abgesehen davon, dass die Milchstraße viel zu wenig Begleitgalaxien hat, widersprechen die vorhandenen noch in anderen Punkten dem Konzept der Dunklen Materie, worauf jüngst Pavel Kroupa von der Universität Bonn hingewiesen hat. 134 Nach den Modellen sollte die Leuchtkraft dieser Zwerggalaxien stark von ihrer Masse abhängen – tut sie aber nicht. Weil das Standardmodell davon ausgeht, dass sich größere Galaxien durch fortwährende Verschmelzung kleinerer gebildet haben, sollten die verbliebenen kleinen auch hauptsächlich aus älteren Sternen bestehen – darauf gibt es
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