Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Benzinpreis – nicht vorstellen kann, wie die Information ihren Weg findet.
Ein damit verwandtes Problem ist, dass die maximale Grenzgeschwindigkeit am Rand der Galaxie offenbar mit ihrer Leuchtkraft zu tun hat (die Thully-Fischer-Relation). Hier muss man sich ebenso fragen, ob denn die normale Materie, die für das Leuchten zuständig ist, irgendwie mit der Dunklen Materie telefoniert hat, die den Hauptteil der Masse ausmacht und damit bestimmt, wie schnell sich alles um die Galaxie drehen muss. Aus solchen Gründen muss jeder Galaxienforscher die allgemeine Erwartung, irgendein Teilchen werde demnächst das Rätsel der Dunklen Materie lösen, ziemlich naiv finden. Denn die mysteriöse Verteilung wäre damit überhaupt noch nicht erklärt. Wir verstehen hier etwas grundsätzlich nicht.
DER UNIVERSALVERBRECHER
Neben den spiralförmigen gibt es auch sogenannte elliptische Galaxien, die keine bevorzugte Drehrichtung haben und in denen die Sterne irgendwie herumfliegen – ein besonders dickes Exemplar in unserer Nähe ist zum Beispiel M 87. Über die dort gemessenen Geschwindigkeiten von Sternen kann man lediglich statistische Aussagen machen, beispielsweise über die Streuung der Geschwindigkeiten um einen Mittelwert. Diese Streuung ist umso größer, je leuchtkräftiger die Galaxie ist – das ist noch relativ logisch –, gleichzeitig hängt sie aber auch mit der Masse des Schwarzen Loches im Zentrum zusammen, wofür man schwerlich eine Ursache finden kann. Solche merkwürdigen Relationen machen es schwer, alles dem Hauptverantwortlichen Dunkle Materie in die Schuhe zu schieben – so als hätte ein einziger Gauner Diebstahl, Körperverletzung, Unfallflucht, Bestechung und Hochverrat gleichzeitig begangen. Keinesfalls will ich damit der Erfindung mehrerer Sorten Dunkler Materie das Wort reden, wie es sich manche Datenermittler wünschen. Denn eine weitere Komplizierung des Modells mag zwar bequem sein, erklärt aber rein gar nichts.
Letztlich steckt hinter den ganzen Problemen der Glaube an das Gravitationsgesetz. Auf der Skala von Galaxien funktioniert es nur mit vielen zusätzlichen Annahmen – Mike Disney von der Universität Cardiff, der Entdecker des Pulsars im Krebsnebel, nennt dies einen „Skandal“. 127 Disney gehört zu den erfrischenden Kritikern überzogener Behauptungen in der Kosmologie; in einer Arbeit in Nature zeigte er kürzlich, 128 dass Galaxien rätselhafte Gemeinsamkeiten aufweisen, die klar darauf hindeuten, dass ein grundlegendes Gesetz noch nicht gefunden ist. Die Bewegungen von Sternen und Gaswolken in Galaxien sind so widersprüchlich, dass man als Alternative zur Dunklen Materie schon auf verschiedenste Weise versucht hat, das Gravitationsgesetz abzuändern, zum Beispiel indem man zu dem einfachen Newtonschen Gesetz noch einen Term hinzufügte – was theoretisch unglaubwürdig war und erfolglos in der Praxis. Galaxien sind so unterschiedlich groß, dass die Anomalie an den Galaxienrändern nur sehr schwer zu fassen ist.
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Die Physiker wissen, dass die Rotationskurven flach sind. Sie wissen dagegen nichts über die Regelmäßigkeiten der Rotationskurven oder globalen Skalenrelationen und sind auch nicht sehr daran interessiert, etwas darüber zu erfahren. 129 – Robert Sanders
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EINE VERDÄCHTIGE SPUR
Unter diesen Versuchen sticht daher einer, genannt Modified Newtonian Dynamics oder MOND, besonders heraus. Der Vorschlag lautet, dass die Gravitationskraft bei großen Abständen nicht mehr im Quadrat, sondern nur noch proportional zum Abstand schwächer wird. Die konstanten Umlaufgeschwindigkeiten der Gaswolken würden dann einfach aus der modifizierten Gravitationskraft folgen – ganz ohne Dunkle Materie. Die von MOND angegebene Formel passt bei den meisten Galaxien hervorragend, was sogar von den Kritikern der Theorie anerkannt wird, und auch einige der genannten Zusammenhänge werden einleuchtend. Die neue Idee besteht darin, das Gravitationsgesetz nicht ab einem bestimmten Abstand zu ändern, sondern die Beschleunigung zu betrachten. Die an den Galaxienrändern herrschenden Kreisbeschleunigungen sind so winzig wie die einer Weinbergschnecke in einer Autobahnkurve – in diesem bisher nie überprüften Bereich könnte durchaus neue Physik gelten. MOND stellt eine erstaunlich einfache Formel auf, in der eine ‚universelle‘ Beschleunigung mit dem winzigen Wert a 0 = 1,1 · 10 −10 m/s 2 vorkommt. Ließe man diese Beschleunigung seit dem Urknall vor 14
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