Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
eine ungefähr zutreffende Beobachtung. Mit den immer mehr Sorten und Oszillationen ist das Konzept aber längst so unglaubwürdig geworden wie der klassische Fall der astronomischen Epizyklen.
ENDLOS TEILBAR? PHYSIK IM SIECHTUM DER STOFF-WECHSELKRANKHEIT
Nach der Krise des Verständnisses der Quantenmechanik, die auf der Solvay-Konferenz von 1927 zum Ausdruck kam, begann in den 1930er Jahren ein Boom der Experimentalphysik. Die vielleicht wichtigste Entdeckung war das Neutron, das James Chadwick 1932 noch als „neuartigen Elektron-Proton-Zustand“ deklarieren musste, denn jeder Erweiterung der einfachen Welt aus zwei Teilchen stand man noch skeptisch gegenüber. Ebenso revolutionär war die Beobachtung des Positrons, da dies nicht nur ein Spiegelbild des Elektrons darstellte, sondern vermuten ließ, dass alle Teilchen einen Partner mit entgegengesetzter Ladung besitzen – Antimaterie. In der Tat wurden 1955 und 1956 die Antiteilchen des Protons und Neutrons entdeckt, was insofern keine Komplizierung war, als sie ihren Partnern praktisch völlig glichen. Den ersten Fremdkörper stellte das Myon dar, eine Kopie des Elektrons mit etwa 207-facher Masse.
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Warum sollte die Natur zwei Teilchen erzeugen, die sich nur in der Masse unterscheiden und sonst identisch sind? Das sind alles Beispiele für unerklärte bzw. unverknüpfte Fakten. 165 – Emilio Segrè
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Seine Entdeckung wurde überschwänglich begrüßt, da der japanische Theoretiker Yukawa ein Teilchen ähnlicher Masse als Vermittler der Kernkraft postuliert hatte. [56] Das Myon interessierte sich zwar überhaupt nicht für den Kern, jedoch fand man in der kosmischen Höhenstrahlung stattdessen das Pion, das die von Yukawa gewünschte Rolle einnahm. 166
NEUE TEILCHEN STATT ALTER DENKE
Trotz der neuen Namen bleibt bemerkenswert, wie ähnlich sich viele Teilchen sind: Das Pion zerfällt in ein Myon, wobei auch ein Neutrino entsteht, und bei seiner Verwandlung in ein Elektron sendet das Myon dann sogar zwei Neutrinos aus. Woher kommen diese Regeln? Handelt es sich um elementare Naturgesetze? Was geht bei den Umwandlungen eigentlich vor? Solche Fragen musste man ausklammern, da die Quantenmechanik über zu Grunde liegende Mechanismen nichts aussagte – stattdessen wurde es ab Ende der 1930er Jahre üblich, neue Effekte durch neue Teilchen zu erklären. Ob dies ein Fortschritt war, muss man bezweifeln. Insbesondere ist durch die Quanteneffekte in der mikroskopischen Welt ja die naive Vorstellung von Teilchen überholt. Mit einer Wahrscheinlichkeitsinterpretation verziert, kam sie nun durch die Hintertür wieder ins Weltbild der Physik und hält sich darin bis heute. Ebenfalls in der damaligen Epoche abgelöst wurde das Bild von zwei Grundkräften, Gravitation und Elektromagnetismus, die bis dahin alle physikalischen Phänomene beschreiben konnten. Da Kernbausteine trotz elektrischer Abstoßung zusammenhalten, geht man zusätzlich von einer ‚starken Kernkraft‘ aus, die nur bei kleinen Abständen wirkt – im Namen steckt eigentlich schon alles, was man weiß. Denn das Pion samt Yukawas Theorie dient nur dazu, die Kernkraft in einer einheitlichen Mode des Teilchenaustausches zu beschreiben, angelehnt an die Quantenelektrodynamik. Dies erklärt aber weder die Stärke noch einen tieferen Sinn ihrer Existenz.
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Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken! / Solch ein Ragout, es muß Euch glücken; / Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. / Was hilft’s, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht? – Johann Wolfgang von Goethe
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Ebenso ist vom Betazerfall eigentlich nur bekannt, dass er relativ langsam erfolgt, weswegen sich der Name ‚schwache Wechselwirkung‘ eingebürgert hat. Mit dem wichtigen physikalischen Begriff Kraft hat diese Worthülse nur mehr wenig zu tun, was aber niemanden zu stören scheint. Die Idee, alle Kräfte würden durch einen Austausch von Teilchen verursacht, ist eine ziemlich oberflächliche, fast gewaltsame Vereinigung, und das Festhalten an diesem Schema Zeichen eines müde gewordenen Geistes in der Physik. Denn einen Grund, warum die Natur gerade vier Wechselwirkungen mit speziellen Eigenschaften erfinden sollte, gibt es nicht. Schon Elektromagnetismus und Gravitation sind in ihren Grundlagen so widersprüchlich, dass die starke und schwache Wechselwirkung wahrscheinlich nur Ausdruck ihrer unverstandenen Aspekte sind. Und von einem einheitlichen Verständnis der beiden dominierenden Kräfte sind wir sowieso
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