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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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beunruhigen, und so suchte man in der unübersichtlichen Menge Muster, die sich auf Eigenschaften der Teilchen gründeten. Weil Neutron und Proton sich ineinander umwandeln können, fasst man sie manchmal als ein einziges Kernteilchen auf, das sich im Isospin unterscheidet, wobei das neue Wort zum Verständnis der Umwandlung wenig beiträgt. Die Tatsache, dass manche Teilchen sich um die Unterscheidung zwischen starker und schwacher Wechselwirkung wenig scheren und für das Entstehen die eine, für den Zerfall die andere benutzen, ist eigenartig und nährt eigentlich Zweifel am Sinn der Einteilung. Die Physiker lösten diese Rätsel, indem sie den Begriff der Eigenartigkeit, genannt Strangeness einführten.
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    Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. – Johann Wolfgang von Goethe
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    Yuval Ne’eman und Murray Gell-Mann trugen nun einige der zahlreichen Elementarteilchen in einem Diagramm mit den Achsen Isospin und Strangeness auf, worauf sich häufig ein Muster von acht Gitterpunkten ergab, das etwas esoterisch als „Der Achtfache Weg“ bezeichnet wurde. In den folgenden Jahren sollte es aber die leitende Idee der Theoretiker werden, die dazu führte, noch kleinere Bestandteile von Materie zu postulieren.
    Die Experimente zur inelastischen Streuung hatten eine gewisse Regelmäßigkeit namens Scaling gezeigt, die gleichwohl völlig unverstanden war. Bald darauf jedoch behauptete ein Theoretiker namens James Björken, Scaling könne man mit einer Theorie erklären, die Proton und Neutron als zusammengesetzt ansehe. Da seine Rechnungen recht undurchsichtig waren, hörte man ihm zunächst wenig zu, was sich aber schlagartig änderte, als der berühmte Richard Feynman in einer ähnlichen Überlegung sogenannte Partonen als Bausteine des Protons erwog.
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    Ist ein falscher Gedanke nur einmal kühn und klar ausgedrückt, so ist damit schon viel gewonnen. – Ludwig Wittgenstein
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    Der experimentelle Befund erschöpfte sich eigentlich darin, dass Protonen sich unter Beschuss von Elektronen sehr viel ‚härter‘ anfühlten als erwartet: Wenn man naiv von einer verschmierten Ladungskugel mit den Abmessungen des Protons ausgeht – einer Art Softball –, wären die Elektronen nicht so stark abgelenkt worden. Daraus folgerte man, die Masse des Protons sei nicht verteilt, sondern befinde sich in mehreren harten ‚Streuzentren‘.
    Letztlich ist dies aber eine vage Hypothese. Zu ihrer Rechtfertigung wird gerne erzählt, die Situation sei analog zu den Streuexperimenten von Rutherford, der Alphateilchen auf dünne Goldfolien schoss: „Es ist, wie wenn man eine Granate auf Seidenpapier schießt, und sie kommt zurück“, bemerkte Rutherford und folgerte richtig, dass die Masse des Goldatoms auf einem sehr kleinen Raum konzentriert sein musste. Der Vergleich zwischen Goldatom und Proton hinkt aber schon deshalb, weil man bei der inelastischen Streuung nicht mehr sinnvoll von klassischen Teilchen sprechen kann. Vor allem aber sind, wie in vielen anderen Situationen, die Energieverluste durch Abstrahlung der beschleunigten Ladungen schlichtweg unbekannt. So macht das Resultat eigentlich nur klar, dass man die Elektrodynamik der starken Felder nicht versteht – eine der großen Entdeckungen der Nachkriegszeit.
ETIKETTEN DER NATUR
    Allgemein gesprochen begann damals das absurde Unterfangen, die Vorstellung von elementaren Bausteinen der Natur auf noch kleinerer Ebene weiterzuspinnen – obwohl die ganze Idee durch die Quantenmechanik ja längst ihren Sinn verloren hatte. Die Frage, wann denn der Unterteilungswahn enden soll, ist vielleicht banal, aber wissenschaftstheoretisch kann man das Versprechen, die ‚letzten‘ Bausteine zu finden, kaum ernst nehmen. Teilchenphysiker, denen man dies vorhält, verfallen gewöhnlich auf die Ausrede, der Begriff des Teilchens habe sich eben geändert und man müsse ihn im Lichte der neuen Erkenntnisse neu definieren. Nicht die materialisierten Grundelemente im Sinne von Demokrit, sondern eine Ansammlung von Eigenschaften begründe die Natur eines ‚Teilchens‘. Demnach handelt es sich heute um Päckchen, auf denen eine Reihe von Aufklebern namens ‚Hyperladung‘, ‚Leptonenzahl‘, ‚Eigenartigkeit‘, ‚Isospin‘, ‚Bodenhaftigkeit‘ klebt, neben denen die grundlegenden Eigenschaften wie Masse und Ladung schon fast nicht mehr sichtbar sind. Dass man für solche Konstrukte den Namen ‚Teilchen‘ beibehalten hat, dient wohl auch

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