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Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)

Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)

Titel: Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen McQuestion
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super.«

25
    Wie sie da auf dem Soziussitz des Motorrads saß, die Arme um die Taille eines Fremden geschlungen, dachte Laverne, dass sie noch nie so voll Angst und gleichzeitig so erregt gewesen war. Ihr Herz hämmerte und all ihre Sinne waren intensiver gefordert, als sie es je erlebt hatte. Die Vibration des Motorrads, der Geruch der Abgase, das ohrenbetäubende Röhren der Maschine, das Peitschen des Winds im Gesicht, das Gefühl, mit Höchstgeschwindigkeit dahinzurasen und zwischen sich selbst und der Straße nichts als zwei Räder und einen Sitzplatz zu haben. So empfand sie es jedenfalls. Einer ihrer Söhne besaß ein Motorrad, aber er hatte ihr nie angeboten, sie einmal mitzunehmen, und ihr wäre niemals der Gedanke gekommen, ihn darum zu bitten. Zu gefährlich. Jetzt aber fuhr sie auf einem und hielt sich an einem wildfremden Mann fest. Wenn ihre Kinder das wüssten, würden sie glauben, sie sei nicht mehr ganz bei Trost. Aber vielleicht würde sie es ihnen gar nicht erzählen. Wenigstens hatte sie einen Helm – die Männer hatten alle darauf bestanden, dass die Frauen sich die ihren aufsetzten, da das in Colorado für Beifahrer vorgeschrieben war.
    Die Männer hatten vorgeschlagen, jeder eine der Frauen hintendrauf zu nehmen und zu Mikes Haus zu bringen. Späterwürden sie die Koffer mit einem Pickup holen. Rita hatte gezögert; Laverne sah das an der Art, wie sie ihre Handtasche umklammerte und immer wieder neue Vorschläge machte, was sie sonst noch tun könnten.
    Keine ihrer Ideen war realisierbar, das war das Problem. Keine Taxis, keine Werkstatt und Hotels gab es in der Gegend auch nicht. Sie befanden sich mitten in der tiefsten Provinz und über Nacht war alles geschlossen.
    »Vielleicht könnten wir die Highway-Polizei rufen«, schlug Rita vor.
    »Das könnten Sie tun, Ma’am«, erwiderte einer der Männer, »aber dann müssten Sie ziemlich lange warten, und ich glaube, die würden Ihnen einfach nur das Gleiche sagen wie wir.« Rita hatte ein wenig verzweifelt ausgesehen und Marnie hatte ihren Arm getätschelt und ihr etwas zugeflüstert. Die Schnellstraße sah so aus, als erstreckte sie sich endlos weiter, als gäbe es nur den Asphalt und sie.
    Wahrscheinlich würden sie immer noch dastehen und ihre Optionen diskutieren, wäre Jazzy nicht einfach zu Carsons Motorrad geeilt und hinten aufgestiegen und hätte sie den anderen nicht bedeutet, es ihr nachzutun. »Los kommt, das ist in Ordnung. Alles wird gut.«
    Rita trat zu ihr und sagte etwas, was Laverne nicht verstand, aber sie hörte Jazzys Antwort. »Glaub mir, es läuft genau so, wie es laufen soll. Ich bekomme die Botschaft, dass das hier absolut okay ist.« Ihre Stimme klang selbstsicher und energisch. In letzter Zeit hatte es den Anschein, als verließe die Gruppe sich zunehmend auf Jazzy. Ihre Fröhlichkeit munterte alle auf; inzwischen war es selbstverständlich, dass alle ihre Entscheidungen mittrugen.
    Rita und Marnie waren wohl auch dieser Meinung, denn Laverne sah, wie sie noch einen Augenblick zögerten und dann resigniert mit den Schultern zuckten. Und ehe Laverne es sich versah, war der Wagen abgeschlossen und jede der vier Frauen brauste auf dem Sozius eines Motorrads über die Straße. Laverne kam der Gedanke, dass diese Männer sie in eine Art Räuberhöhle bringen mochten, eine unterirdische Kammer, wo sie vertrauensvolle Frauen ausraubten und töteten, aber das schoss ihr erst durch den Kopf, als sie schon auf dem Motorrad saß. Zum Glück bewahrte sie im Geheimfach ihrer Handtasche, die um ihren Hals hing und ihr vorn gegen die Brust drückte, noch immer die Pistole auf.
    Laverne machte anfangs die Augen zu, aber nach einer Weile wurde ihre Neugier zu stark, und sie hob den Kopf, um zu sehen, wohin sie fuhren. Der Mond und der Scheinwerfer beleuchteten die anderen Fahrzeuge und sie erkannte Marnie und Rita auf den Motorrädern vor ihr. Kurz darauf verwandelte sich ihre Angst in Vergnügen. Eigenartigerweise hatte sie gar nicht das Gefühl, dass sie gleich herunterfallen würde. Sie fühlte sich ziemlich sicher. Wer hätte gedacht, dass Motorradfahren so viel Spaß machen würde?
    Ein weiteres Motorrad kam auf der Überholspur von hinten heran – Jazzy und Carson. Laverne warf einen Blick auf sie und musste bei dem, was sie sah, grinsen. Jazzy hatte den Kopf an Carsons Rücken gelegt. Ihr langes Haar ragte unter dem Helm hervor und flatterte im Wind.
    Laverne war beinahe enttäuscht, als sie von der Schnellstraße abfuhren

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