Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Errungenschaften, aber auch mit der Armut, und den Zweiten Weltkrieg mit seinem Grauen und seiner Zerstörung –, ist man sich der Bedeutung eines solchen Ereignisses durchaus bewusst. Dann ist man natürlich auch stolz, dass der Ehemann Regierungschef wird.
Sie haben bei der Vereidigung im Bundestag unter den Zuschauern gesessen?
Auf der Zuschauertribüne. Neben meiner Tochter und Frau Schmarsow, der Sekretärin meines Mannes.
Was mussten Sie bei den Vorbereitungen auf Ihre neue Rolle als Kanzlergattin alles bedenken?
Was zu bedenken war, wusste ich ja vorher nicht. Was ich vorbereitet habe: Ich habe mich beim Protokollchef angesagt, denn ich war es ja von der Hardthöhe gewohnt, eng und sehr vertrauensvoll mit dem Protokoll zusammenzuarbeiten. Ähnlich wollte ich es jetzt auch mit dem Protokoll des Kanzleramtes halten. Es war größer als das des Verteidigungs- oder Finanzministeriums und hatte auch noch den Bundespräsidenten zu betreuen.
Hat Ihnen der Protokollchef bei Ihrem ersten Treffen schon irgendwelche Ratschläge gegeben?
Ich wollte ihn einfach kennenlernen und habe ihn über die Art meiner Zusammenarbeit mit dem Protokoll während der Hardthöhenzeit informiert.
Haben Sie Rut Brandt gefragt, was man als Kanzlerfrau beachten müsse?
Nein. Ich habe Rut Brandt natürlich häufiger mal getroffen und fand sie sehr sympathisch, aber wir haben uns nicht gegenseitig eingeladen. Über den Umzug brauchte ich mit ihr nicht zu reden, denn die Brandts waren nicht in den Kanzlerbungalow gezogen. Sie sind oben auf dem Venusberg geblieben, das heißt, ich brauchte niemanden aus dem Bungalow zu vertreiben.
Haben Sie andere Leute um Rat gefragt bezüglich dessen, was auf Sie zukommt?
Dazu war ich mittlerweile zu selbstbewusst. Außerdem habe ich mir natürlich auch gesagt, der oder die eine macht das so, und du machst das so. Das kann man selbstbewusst nennen. Dazu war ich dann auch schon zu lange im Geschäft. Ich habe überhaupt nichts vorbereitet, ich hab mir auch keine neue Kleidung gekauft. Später habe ich mir immer dann etwas Neues gekauft, wenn es nötig war.
Welche zusätzlichen Pflichten kamen nun auf Sie zu: noch mehr Protokoll, noch mehr Repräsentation, noch längere Arbeitszeiten?
Das Protokoll hat mir freundlich mitgeteilt, ich müsse auch soziale Aufgaben übernehmen, die man gelegentlich mal vorzeigen könnte. Außerdem erwartete mich viel Schreibarbeit, denn ich erhielt eine Menge Briefe. Zunächst hatte ich keine Schreibkraft. Die war nicht vorgesehen gewesen bei Rut Brandt, denn wenn Post von Unbekannten an sie persönlich gerichtet war, hat sie die zur Beantwortung weitergegeben. Nach etwa einem Jahr habe ich wohl so gestöhnt – ich hatte ja nebenbei auch noch etwas anderes zu tun –, dass mein Mann mir eine Halbtagsschreibkraft zuteilen ließ.
Wie behagte Ihnen die Dienstwohnung, der Kanzlerbungalow des Architekten Sepp Ruf, den Ludwig Erhard in Auftrag gegeben hatte?
Mit seinen klaren Konturen und Anklängen vom Bauhaus entsprach er mehr unserem Stil als irgendwelche Jahrhundertwende-Prachtbauten, nachgemachter Barock oder Ähnliches.
Dem Diktum Konrad Adenauers, der gesagt hat, der Architekt verdiene »zehn Jahre«, konnten Sie sich demnach nicht anschließen?
Adenauer hatte wohl einen anderen Geschmack. Uns hat der Bungalow jedenfalls gefallen. Innen gab es ein winzig kleines Schwimmbad, das wir auch häufig benutzt haben. Wenn ich das Haus gebaut hätte, hätte ich das Schwimmbad größer gemacht.
Haben Sie denn die variable Raumaufteilung im Bungalow genutzt und etwas verändern lassen?
Die variable Raumaufteilung bezog sich nur auf den offiziellen Teil, nicht auf die Privaträume. Die Privaträume – dasheißt Schlafzimmer, Badezimmer, ein winziges Arbeitszimmerchen für mich und ein etwas größeres Arbeitszimmer für Helmut – waren nicht sehr üppig.
Sie haben auch nicht wie Kurt-Georg Kiesinger mittelalterliche Kunstwerke oder Stilmöbel im Bungalow aufgestellt, damit er wohnlicher wurde?
Das haben wir nicht getan. Ich glaube, wir haben alles genommen, was da war, und haben das zurechtgerückt.
Welche dienstbaren Geister standen Ihnen – neben der Halbtagskraft zum Schreiben – im Bungalow zur Verfügung?
Es gab zwei Hausangestellte, die im Bungalow arbeiteten. Die ältere, Frau Köpke, war schon bei Adenauer in Diensten gewesen.
War das die sogenannte Hausdame, oder wie nannte man die?
Die Hausdame war Frau Pirwitz. Sie war die Hausangestellte, die das
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