Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Menge zu tun, um die ökonomischen Schwierigkeiten zu überwinden.
Einem Kanzler zur Seite
Ihr Mann wurde seit den fünfziger/sechziger Jahren in seinen verschiedenen wichtigen Funktionen in Bonn – mit der kurzen Unterbrechung als Senator in Hamburg – zu einem der mächtigsten und respektiertesten Politiker der Republik. Haben Sie je gedacht, er könnte auch Kanzler werden?
Wir sind von etwas anderem ausgegangen; als Helmut 1953 das Bundestagsmandat angeboten wurde, wollte er das nur für eine Legislaturperiode machen. Nun war er schon zwei Jahrzehnte in der Politik, aber ich glaube, im Innersten seines Herzens hatte er den Traum von der Architektur noch nicht völlig aufgegeben.
Selbst mit fünfundfünfzig Jahren nicht und nachdem er ein erfolgreicher Abgeordneter und Minister gewesen war?
Das kann einer der Kinder- oder Jugendträume gewesen sein, die man sehr lange vor sich herträgt. Ich glaube auch nicht, dass er im Ernst gedacht hat, er könnte noch Architektur studieren, besser gesagt: Städtebau, denn der hat ihn am stärksten interessiert. Der Traum aber war immer noch irgendwie da. Vielleicht auch nur der Wunsch, ich muss mir selbst beweisen, dass ich das noch schaffen könnte.
Und Sie haben nicht gedacht, dass er einmal Kanzler werden könnte?
Daran habe ich nicht gedacht, nein.
Im Mai 1974 wird plötzlich der Referent Willy Brandts, Günter Guillaume, als Spion der DDR verhaftet. Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie die Nachricht aufgenommen haben?
Das hat mich, wie wohl die meisten Menschen in der Bundesrepublik, erst einmal sprachlos gemacht. Ein Spion im Kanzleramt – einfach unvorstellbar. Ich sah den Guillaume noch vor mir, wie er mit den Brandt’schen Kindern spielte. Und nun so etwas. Etwas völlig Neues waren Spionageaffären für mich allerdings nicht. Ein paar Jahre zuvor hatten wir im Kreis Nord der Hamburger SPD jemanden gehabt, der sich urplötzlich in die DDR abgesetzt hatte. Das hat uns auch alle sehr aufgeregt. Ein Spion im Kanzleramt war aber natürlich noch etwas ganz anderes.
Hatten Sie Guillaume je getroffen?
Ich habe ihn natürlich getroffen, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, dass wir ausführliche Gespräche geführt hätten. In der Bonner Zeit ist man ja vielen Leuten begegnet, die man einigermaßen kannte, von denen man aber keine Ahnung hatte, wie sie als Menschen wirklich waren. Für Willy Brandt hat mir die ganze Spionagesache natürlich leidgetan, obwohl wir kein so enges Verhältnis zueinander hatten. Er wirkte ja auf viele charismatisch, ich fand ihn allerdings ein bisschen abgehoben. Aber das hängt wohl mit meiner hanseatischen Nüchternheit zusammen, die gegen eine solche Ausstrahlung ein wenig immun macht. Willy Brandt und ich haben uns auch nie richtig miteinander unterhalten können.
Dem Rücktritt Brandts am 7. Mai 1974 gingen dramatische Tage in der Bundesregierung und der SPD voraus. Haben Sie von der Aufregung viel mitbekommen?
In Münstereifel, wo die SPD-Führungsgruppe in jenen Tagen darüber redete, wie es nun weitergehen solle, herrschte erst mal ein heilloses Durcheinander und eine – wie soll ich das mal nennen? – große Ratlosigkeit. Man wusste einfach nicht, wie es weitergehen sollte.
Das haben Sie miterlebt?
Teilweise zumindest. Ich wollte meinen Mann abholen in Münstereifel, wo die SPD-Führung am Wochenende vom 4. und 5. Mai in einem Bildungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung tagte. Ich war hingefahren. Während nun alles drunter und drüber ging, sagte Alfred Nau, der Schatzmeister der SPD, dessen Frau übrigens auch in Münstereifel war, ganz ruhig: »Wir müssen uns erst mal zusammensetzen. Kommt doch mit zu uns nach Hause.« Von Münstereifel nach Bonn fährt man mit dem Auto ja nur ungefähr eine Stunde.
Das war, bevor Willy Brandt seinen Rücktritt erklärte?
Das war, als sich der Rücktritt andeutete. Willy Brandt hat ja nicht von jetzt auf gleich gesagt, er träte zurück. Bis er sich entschied, hat das verständlicherweise eine gewisse Zeit gedauert. Alfred Nau schien mir in dieser Situation ein sehr besonnener Mann zu sein; er hatte in seinem Leben ja auch schon einiges durchgemacht, Widerstand gegen die Nazis, Gestapo-Haft …
War auch Willy Brandt bei diesem Treffen dabei?
Er war nicht dabei, ich wusste auch nicht, wo er sich aufhielt. Solche Phasen, in denen Brandt nicht zu erreichenwar, gab es während seiner Kanzlerzeit ja häufiger; offenbar litt er dann unter Depressionen. In
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