Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
diesem Fall aber hatte er sich wohl mit seinen engsten Mitarbeitern irgendwohin zurückgezogen, um über seine nächsten Schritte zu beraten.
Wer war bei den Naus noch dabei?
Die Naus haben sich wohl die Leute ausgesucht, denen sie absolut vertrauten. Ich weiß nicht mehr im Einzelnen, wer anwesend war, auf jeden Fall war es eine Gruppe führender Sozialdemokraten und, glaube ich, Gewerkschafter. Zusammen waren wir ungefähr acht. Ich erinnere mich jetzt noch an eine lächerliche Kleinigkeit, die zeigt, was man so im Gedächtnis behält. Friedel Nau sagte: »Ich hab tiefgefrorenes Stangenbrot, das hole ich schnell raus, das rösten wir uns auf.«
Hatte Ihnen Ihr Mann etwas von den vorangegangenen Streitigkeiten oder den Diskussionen in der SPD-Führung erzählt?
Helmut hat in jener Zeit nicht so furchtbar viel erzählt; zum einen war er sehr beschäftigt und eingespannt, und zum anderen hatte ich da bereits angefangen, meine eigenen Naturschutzprojekte zu organisieren; dafür musste ich mir immer ein bisschen extra Zeit nehmen. Und da Helmut ebenfalls eine Menge zu tun hatte und viel unterwegs war, hatten wir selten Gelegenheit für tiefergehende Gespräche. Wenn er es für angebracht hält, kann er im Übrigen auch ganz gut schweigen.
Was wurde bei den Naus besprochen?
Erst einmal wurde aufgezählt, wann man was und wo am Verhalten Guillaumes beobachtet hatte. Es wurden Beispiele dafür genannt, dass der Guillaume doch so furchtbar nett gewesen sei und bei welcher Gelegenheit er dabei gewesen war.Also, es ging um persönliche Beobachtungen, wann der Mann positiv und wann er negativ aufgefallen war. Mir schien es, als ob jeder der Anwesenden etwas dazu beizutragen hätte.
Und auch zu Brandt natürlich …
Alle waren so schockiert von den Ereignissen. Es wurde auch über die Regierungszeit Brandts geredet, den die meisten sehr verehrten, aber dann sagte Friedel Nau zu mir: »Komm, lass uns in die Küche gehen.« Sie hatte wohl das Gefühl, dass wir beiden Frauen in der Männerrunde störten. Bei der entscheidenden Sitzung der SPD-Gremien vor Brandts Rücktritt bin ich selbstverständlich nicht dabei gewesen.
Da hat Willy Brandt gesagt: »Der Helmut muss das machen«, und er hat geantwortet: »Wegen solcher Dinge (Guillaume und Damenbekanntschaften) kann ein Kanzler sein Amt nicht aufgeben.«
Das hat Helmut mir allerdings hinterher auch erzählt, und er war dabei richtig wütend: »Ein Spion ist doch kein Grund, nicht im Amt zu bleiben.« Andere wiederum haben die verschiedenen Damen, die während Brandts Wahlkampf in den Sonderzügen mitgefahren sein sollen, aufs Tapet gebracht.
Ich glaube, da ist sehr übertrieben worden.
Ich kann das nicht beurteilen. Aber ich habe selbst miterlebt, wie sich bei bestimmten Gelegenheiten, bei offiziellen Essen oder Empfängen, irgendwelche Damen, möglichst noch mit tiefem Ausschnitt, über Helmut hängten und schwärmten: Also, das haben Sie ja so wunderbar gesagt oder gemacht.
Henry Kissinger hat behauptet, Macht sei ein sehr wirksames Aphrodisiakum.
Das habe ich später bestätigen können, wenn sich Damen an Helmut ranschmissen. Bei Treffen, an denen auch Frauen teilnahmen, kam das eigentlich oft vor.
Waren Sie nicht eifersüchtig, wenn Ihr Mann bedrängt wurde?
Da ich bei solchen Avancen häufig neben Helmut saß, hingen die Busen ja auch oft halb über mir.
Nun aber wieder zurück zur handfesten Politik. Waren Sie ebenso »tief erschrocken« über die Erkenntnis wie Ihr Mann, als deutlich wurde, dass an seiner Berufung zum Kanzler kein Weg mehr vorbeiführte?
Erschrocken war ich, weil ich noch mehr Arbeit, noch mehr Verantwortung und Pflichten auf ihn zukommen sah. Er hat mir nachts, als wir über die Situation redeten, gesagt: »Das muss ich wohl machen.« Dass er darüber begeistert war, kann ich nicht erinnern. Die Konsequenzen, die das Kanzleramt mit sich bringt, waren ihm natürlich bewusst. Ihm stand eine riesige Herausforderung bevor, und das hat ihm schwer zu schaffen gemacht.
Wie haben Sie den Tag der Wahl Ihres Mannes zum Kanzler am 16. Mai 1974 verbracht und erlebt?
Unsere Tochter Susanne war aufgeregter als ich. Sie wollte unbedingt dabei sein und war es dann ja auch.
Und Sie waren nicht so aufgeregt?
»Aufgeregt« ist der falsche Ausdruck. Aber wenn der eigene Mann Bundeskanzler wird und man dieses Land schon einige Jahrzehnte gekannt hat in den wechselvollen Situationen – ich erinnere ja noch die Weimarer Republik mit all den kulturellen
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