Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
ich mit einem mehr oder minder frischen Schnitt beim jeweils anderen erschien, dass eine Bemerkung fiel wie: »Ach, Sie waren inzwischen beim Schneiden. Ja, hat der Kollege eigentlich gut gemacht.« Etwas in der Art hörte ich jedes Mal. Das ist zwar nur eine winzige Randbemerkung, aber für mich gehörte das während meinesWanderlebens zwischen Bonn und Hamburg dazu. Die Friseure waren nämlich beide stolz auf ihre Schneidekünste.
Haben Sie sich verändert als Kanzlergattin?
Das kann ich nicht beurteilen, aber sehr wahrscheinlich schon. Ich glaube, jeder Mensch verändert sich, wenn er andere Aufgaben bekommt.
… und so in der Öffentlichkeit steht.
Das ist so, der Aufenthalt in der Öffentlichkeit wirkt auf eine Person. Allerdings habe ich mir gleich gesagt – schon auf der Hardthöhe, aber während der Kanzlerzeit noch viel mehr –: Du veränderst dich nicht. Du redest hamburgisch, daran müssen sich die Leute gewöhnen. Du bist du. Ich war ja schon über fünfzig Jahre alt. Natürlich habe ich mich aber verändert, jeder Mensch verändert sich einfach schon dadurch, dass er älter wird. Ich habe mir jedoch Mühe gegeben, was die Sprache angeht zum Beispiel, so zu bleiben, wie ich war.
Das ist ja auch eine schöne Sprache.
Erstens ist es eine schöne Sprache, zweitens ist es meine Sprache, und wenn die jemand nicht hören wollte, hatte er selber Schuld. Das habe ich mir immer wieder gesagt.
Hamburgisch kann ja auch jeder verstehen, im Gegensatz zu tiefstem bayerischen Dialekt oder ausgeprägtem Schwäbisch.
Eben.
Jetzt kommen wir zum Küchenessen mit den engsten Mitarbeitern.
»Engste Mitarbeiter« ist nicht korrekt. Ich habe Ihnen die Küche des Bungalows in ihren Ausmaßen ja schon ungefährvorgestellt. Der Herd stand übrigens mitten im Raum und nicht, wie man es normalerweise gewohnt ist, irgendwo an der Wand. Ein riesiger Herd, denn vom Architekten Sepp Ruf war sicher geplant, dass in dieser Küche auch große Essen vorbereitet wurden. Bei den Küchenessen versammelten sich die beiden Hausangestellten, Frau Pirwitz und Frau Köpke, der Obergärtner Herr Dewes, der für mich sehr wichtig war, weil wir beim Küchenessen so viel besprechen konnten, und mein Sicherheitsbeamter; wenn Helmuts Sicherheitsbeamter irgend konnte, kam er auch aus dem Kanzleramt herbeigeeilt.
Übrigens, Herr Dewes kam häufiger mal mit einem Strunk oder Zweig und sagte: »Das habe ich auf der Wiese gefunden. Was ist das?« Dann haben wir am Küchentisch botanisiert. Mit Herrn Dewes habe ich auch den Tischschmuck für offizielle Essen besprochen oder darüber beraten, welche Blumen wir den Staatsgästen in ihre Unterkünfte stellen sollten. Betty Ford beispielsweise mochte Wicken besonders gern, und die ließen wir ihr natürlich hinstellen. Ich habe mich auch immer gefreut, wenn uns bei offiziellen Reisen Blumen aufs Zimmer gestellt wurden. Manche Gastgeber haben sich dabei richtig angestrengt. In der Osterzeit fanden wir während eines Besuchs im Blair House, unserer Bleibe in Washington, Schalen mit Gras, in denen Ostereier lagen. Über so etwas freut man sich sehr, wenn man anstrengende Tage vor sich hat.
Und was wurde sonst noch beim Küchenessen besprochen?
Zunächst wurde darüber geredet, welche offiziellen Veranstaltungen in der folgenden Woche bevorstanden und was dafür zu regeln war. Unser Küchenessen hatte übrigens mit den regelmäßigen Koalitionsessen zu tun, die im Bungalow stattfanden. Irgendwann war nämlich ein Abgesandter desProtokolls zu mir gekommen und hatte mir mehr oder minder deutlich gemacht, das Essen der sozialdemokratischen und freidemokratischen Koalitionspartner solle nicht mehr draußen bestellt werden, das sei zu teuer. »Das können Sie doch hier in der Küche selbst machen.« Daraufhin habe ich zu meinen Leuten gesagt: »Wenn die Koalition hier isst, können wir auch ein bisschen mehr kochen, und wenn die Koalitionspartner dann aus dem Haus sind, können wir alle ein wenig mithelfen in der Küche, und danach setzen wir uns gemütlich hin und essen.« So ist das Küchenessen entstanden. Dadurch, dass das Protokoll Geld sparen wollte.
Da wurde also immer besprochen, was in der kommenden Woche anlag.
Es wurde erstens besprochen, was anlag und was es zu essen geben sollte. Wenn es um Essen für ausländische Staatsgäste im Bungalow oder anderswo ging, habe ich unser Protokoll gebeten, sich beim Protokoll unserer Besucher zu erkundigen, ob sie bestimmte Abneigungen oder Vorlieben
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