Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
im Bundestag waren, häufig mit den Sekretärinnen Ihres Mannes …
… haben wir auf der Tribüne gesessen und uns natürlich ruhig verhalten. Es wäre unmöglich gewesen, etwas zu sagen – stellen Sie sich mal vor, die Frau des Redners explodiert da oben auf der Tribüne …
Oder die Frau des Mannes, der attackiert wird, schreit »Du Lügner!« oder so etwas in den Saal.
Zum Beispiel. Das wäre aber zumindest eine anständige Pressemitteilung geworden.
Besonders heftige Kritik gab es nach der Bundestagswahl 1976, als das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung unter Walter Arendt die künftige Finanzierung des Rentensystems offenbar nicht richtig berechnet hatte. Die Opposition nutzte den gravierenden Fehler und bezichtigte die Regierung und vor allem den Kanzler der »Rentenlüge«.
Helmut hat diese Kritik sehr getroffen. Sie hätte wohl jeden geschmerzt, denn man versucht ja, sich auf seine Leute – in diesem Fall den Bundesminister Arendt – zu verlassen.
Ihr Mann hat immer großen Wert darauf gelegt, eine solide Politik zu verantworten. Nun hatte die Opposition einen Grund, ihm am Zeug zu flicken, und hat das ausgenutzt. Er hat einmal gesagt, der Vorwurf der Rentenlüge habe ihn stärker getroffen als jede andere Kritik.
Das glaube ich ihm. Unredlichkeit bei der Arbeit eines Ministeriums muss ihn sehr verletzt haben. Gerade in der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat er immer großen Wert auf Solidität gelegt.
Die Zeit des Doppelbeschlusses war für ihn ebenfalls hart, weil er oft attackiert und von der sogenannten Friedensbewegung gar als »Raketenkanzler« tituliert wurde.
Die Friedensbewegung hielt ja große Kundgebungen in Bonn ab. Ich habe Helmut meine Meinung über die Demonstranten gesagt, und danach haben wir nicht mehr über dieses Thema geredet.
Wie war Ihre Meinung?
Jetzt geht es uns in Deutschland endlich wieder ein bisschen besser, und da machen die solch ein Theater. Das sind verwöhnte Bälger, die da auf den Straßen marschieren. Später habe ich Leute aus der Generation der Demonstranten kennengelernt, zum Beispiel Naturwissenschaftler, die nie auf die Straße gegangen sind. Die habe ich natürlich ausgefragt, und sie sagten: Für solche Albernheiten wie dauernde Demonstrationen haben wir keine Zeit oder kein Geld. Aus. Das war eine konkrete Aussage, die ich nachvollziehen konnte.
Der Doppelbeschluss wird meiner Meinung nach in fünfzig Jahren oder so möglicherweise als die größte politische Leistung des Kanzlers Schmidt gelten, denn er war der erste dicke Nagel in den Sarg der Sowjetunion. Haben Sie mal jemanden getroffen, der damals protestiert hat und der heute sagt: »Mensch, wir haben damals falsch gelegen.«?
Nein. Es waren ja meist Jüngere, die auf die Straße gegangen sind.
Es waren nicht nur Junge. Ich habe Egon Bahr danach gefragt: »Haben Sie inzwischen eingesehen, dass Sie mit Ihrer Ablehnung des Doppelbeschlusses falschgelegen haben?« Das hat er verneint.
Ich will nichts Schlechtes über Egon Bahr sagen; schließlich bin ich mit seiner Frau zusammen in die damalige DDR gereist.
Im Wahlkampf 1976 wurde von der CDU der schöne Slogan benutzt: »Freiheit statt Sozialismus«. Die CSU sagte: »Freiheit oder Sozialismus«. Was haben Sie von dieser Wahlparole gehalten?
An die kann ich mich nicht erinnern. Ich habe in meinem Leben Erfahrungen mit vielen Sprüchen ähnlicher Art gemacht. Als kleines Kind – ich ging wohl noch nicht zur Schule – bin ich 1923/24 einmal mit meinen Eltern in Hamburg bei einem Protestmarsch gewesen und habe das schöne Lied gelernt: »Nie, nie wollen wir Waffen tragen, nie, nie wollen wir wieder Krieg.« Wenn man später anfängt, über ein solches Lied nachzudenken, auch über die Menschen, die da mit auf der Straße waren … Das waren Menschen, die sich zusammengefunden hatten und in derselben Richtung dachten. Darunter waren sicher viele Idealisten, aber im Gegensatz zu den Friedensdemonstranten in den achtziger Jahren nur wenig Träumer und schon gar keine Ignoranten, die die politische Wirklichkeit nicht erkannten oder sich gar vor ihr scheuten.
Dieser Slogan »Freiheit statt Sozialismus« impliziert ja, dass Ihr Mann für Sozialismus gestanden habe, was ziemlich abwegig ist.
Das kann man sagen. Ich möchte mich da nicht so genau äußern, aber Ihnen gegenüber will ich doch erwähnen: Helmut hat sich nach dem Krieg natürlich die neuen oder wiedererstandenen Parteien genau angeguckt. Die Sozis waren die, bei denen er
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