Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
von Dschinghis Khan, weil ich so ein bisschenasiatisch aussehe. – Einmal bin ich vor viel Presse aufgetreten, ohne es zu wollen und ohne dass es geplant war – während des Karnevals. Nach alter Gewohnheit kamen der Bonner Karnevalsprinz und seine Prinzessin – im vollen Ornat – immer ins Kanzleramt. Der Kanzler musste den Prinzen begrüßen und die Karnevalsprinzessin küssen. Der Prinz und die Prinzessin kamen mit großem Gefolge in die Empfangshalle des Kanzleramtes. Viele Menschen und eine Menge Presse waren anwesend. Es gab einige Stuhlreihen, aber die meisten Jecken in ihren Kostümen standen. Auf einmal erschien einer der Sicherheitsbeamten und flüsterte mir zu: »Der Kanzler hat eine ganz wichtige Sitzung, die er nicht verlassen kann.« Daraufhin habe ich trocken geschluckt, bin auf die Treppe gegangen, und ich erinnere noch ganz genau, dass ich angefangen habe: »Heute sind ja die tollen Tage in Bonn.« Ich glaube, dann hörten auch alle zu, und ich habe erst einmal die Kabinettsmitglieder und den Bundeskanzler entschuldigt. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, jedenfalls wurde das mit Alaaf und …
… Helau …
… Helau – nein, »Helau« ist Mainz und Düsseldorf, in Bonn, Köln und Aachen heißt es »Alaaf«, das habe ich ja gelernt! Anschließend kamen der Prinz und die Prinzessin zu mir, es gab die Schmatzerei, und das war’s dann. Ich muss aber ehrlich sagen, die karnevalslüsterne Menge hat mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Man weiß ja, dass sie den Karneval sehr ernst nehmen. Irgendwann musste ich dann sagen: »Geht jetzt schön nach Hause.« Da war ich mittlerweile aber schon erleichtert, dass ich diese nicht ganz einfache Situation gemeistert hatte. Den Anfang dieses besonderen Karnevalstreibens im Kanzleramt werde ich nie vergessen. Dass ich da gestanden habe, und alle guckten mich erwartungsvoll an, und ich habe gesagt »Wir haben jetzt die tollen Tage in Bonn.«
Das kann ich mir vorstellen.
Hinter den Kulissen waren es auch politisch tolle Tage. Deshalb konnte Helmut seine Sitzung nicht verlassen.
Loki, Ihr Mann ist während seiner Kanzlerschaft mehrfach ernsthaft erkrankt. Wie äußerten sich diese Krankheiten?
Unterschiedlich natürlich, weil es ja unterschiedliche Krankheiten waren. Eine Krankheit erinnere ich, da ging es ihm wirklich sehr, sehr schlecht. Er lag mit vierzig Grad Fieber im Bett; vorher, als das Fieber noch nicht so hoch war, war er immer wieder aufgestanden, um zu arbeiten. Kurz bevor er dann umzukippen drohte, legte er sich schnell wieder hin. Irgendwann aber kam der Augenblick, da konnte er nicht mehr. Schnell war der Chefarzt des zentralen Bundeswehrkrankenhauses in Koblenz, Dr. Wolfgang Völpel, gekommen und hatte gesagt: »Sie dürfen nicht aufstehen!« Und zu mir:»Bitte zweimal am Tag Fieber messen. Hier lasse ich Ihnen Medikamente, und bitte rufen Sie mich jedes Mal an, wenn Sie Fieber gemessen haben, ich sage Ihnen dann, welche Medikamente Sie Ihrem Mann geben müssen.« Das war also eine sehr präzise Abmachung, und genau so haben wir es auch gemacht. Ich habe gemessen, Koblenz angerufen, und dann hieß es, zwei Pillen davon und eine davon. Helmut hat während der Zeit meistens vor sich hin gedöst, und ich habe mir ganz schön Sorgen gemacht.
Und es war keine Krankenschwester im Haus?
Nein. Ich war ja da. Außerdem war ich da schon …
… Hilfskrankenschwester …
… Hilfskrankenschwester. Nein, es war nicht nötig, dass für diese Aufgaben noch jemand anders hinzugezogen wurde. Außerdem hatte ich ehrlich gesagt auch keine Lust, irgendetwas anderes zu tun, als für meinen Mann da zu sein. Und meine Frau Pirwitz hielt Handwerker und wer sonst noch in dem Bungalow war, dazu an, leise zu sein, kurz: sie durften nicht arbeiten.
Wenn solche Krankheiten auftraten, wurden Sie dann nicht von den Medien bedrängt, irgendwas zu sagen?
In diesem Fall, wo es wirklich eine ernsthafte Sache war, haben sie uns in Ruhe gelassen. Helmut wollte auch nicht ins Krankenhaus, weil damals, im Februar 1975, eine dramatische Situation zu bewältigen war. Die Terrorgruppe, die sich RAF nannte, hatte den Berliner CDU-Politiker Peter Lorenz entführt und drohte, ihn zu ermorden, falls nicht einige ihrer terroristischen Komplizen aus dem Gefängnis entlassen würden. Mein Mann hat – auch auf Drängen der CDU hin – dem Austausch Lorenz’ gegen die Gefangenen schließlichzugestimmt. Ich bin sicher, wenn er bei Kräften gewesen wäre,
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