Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Urlaub?« – »Wieso, was hat das damit zu tun?« Solche Antworten kamen dann. Für mich waren diese Forschungsreisen zwar körperlich immer sehr anstrengend, aber da ich weg war vom Alltäglichen, waren sie doch auch erholsam.
Aufgrund Ihrer Forschungsreisen in ferne Länder hatten Sie immer Stoff für Gespräche mit Ihrem Mann. Sie haben Ihre Arbeit erledigt und er seine Arbeit. Das ist wohl sehr wichtig in einer Ehe.
Das glaube ich auch. Bei uns ist das heute noch so. Jeder von uns hat seine Aufgaben. Inzwischen gibt es übrigens durchaus auch mal Abende, wo wir uns ausgiebig über Naturschutz unterhalten. Ich habe ihn doch ein bisschen infiziert.
Deshalb war er ja auch sehr dafür, dass Sie Ihren eigenen Interessen nachgegangen sind.
Wir haben das zwar nie so ausgesprochen, aber so war es. Dass ich mit Anregungen aus einem ganz anderen Gebiet nach Hause kam, als er es kannte, das war wichtig.
Ein großes Thema während der späten siebziger, Anfang der achtziger Jahre war der Doppelbeschluss, der Verhandlungen über den Abbau der russischen Mittelstreckenraketen SS-20 oder bei Nichterfolg die Aufstellung der amerikanischen Pershing-II-Raketen in Europa vorsah. Was haben Sie davon gehalten? Hat Sie das interessiert?
Das muss doch jeden interessiert haben! Das war doch auch für Westeuropa unendlich wichtig. Wir lagen schließlich mitten im Zielgebiet der sowjetischen Mittelstreckenraketen.
Aber das Land war ziemlich hysterisch …
… ist von der Friedensbewegung hysterisch gemacht worden. Alle redeten von Angst, das war ja manchmal nicht mehr auszuhalten.
Petra Kelly vorneweg – haben Sie sie einmal kennengelernt?
Ich hatte nicht das Bedürfnis, denn Menschen, die nicht auch mal ganz nüchtern und sachlich sein können, liegen mir nicht. Und Helmut schon gar nicht, da sind wir uns beide einig. Ich war nicht einmal neugierig auf Frau Kelly. Das, was sie und ihr General Bastian über Gefahren und Bedrohungen äußerten, reichte mir.
Ein prominenter Gegner des Doppelbeschlusses war ein führendes SPD-Mitglied, Erhard Eppler. Was haben Sie über ihn gedacht?
Ich möchte mich nicht über einzelne Personen äußern.
Auch nicht über Oskar Lafontaine, der ebenfalls ein Gegner des Doppelbeschlusses war und Ihrem Mann das Leben sehr schwer gemacht hat?
Weiß Gott, und bei mir wollte er sich – wie kann man das nennen, »andienen« ist nicht das richtige Wort, »einschmeicheln«? Wenn er mal kam oder wenn wir uns irgendwo sahen, bekam ich immer einen extravaganten Blumenstrauß. Das war in den meisten Fällen nach Helmuts Kanzlerschaft.
Wo haben Sie ihn gesehen?
Wann war das mit der Ohrfeige? Es muss so um die Wahl 1980 gewesen sein, dass ich laut – wahrscheinlich im Freundeskreis – geschimpft habe: »Und wenn ich den Kerl treffe, dann knall ich ihm eine.« Wir begegneten uns kurze Zeit später, doch da war viel Presse dabei, und ich wollte denen dieses Vergnügen nicht gönnen.
Und wie war das mit den Genossen an der Basis? Sie sind nicht oft zu den Treffen Ihres SPD-Ortsvereins gegangen. Die haben Sie sicher vermisst, Loki!
Im Ortsverein Tangstedter Landstraße bin ich schon mal gewesen, und einmal habe ich denen etwas über Naturschutz erzählt. In der Siedlung, die 1923 unter anderem durch Eigenarbeit entstanden ist, wohnten mehr oder minder lauter alte Sozialdemokraten, mit denen ich immer gut zurechtgekommen bin. Übrigens: Heute brauchte ich weder ihnen noch anderen Leuten viel über Naturschutz zu erzählen; heute wissen alle, dass es Pflanzen gibt, die man in jedem Fall schützen sollte.
Daran haben auch Sie Ihren Anteil. – Ihr Mann hat nach der zweiten Bundestagswahl sehr harte Zeiten durchleben müssen, und im Frühherbst 1982 zeichneten sich gravierende Schwierigkeiten in der sozial-liberalen Koalition ab. Haben Sie etwas von dem nahenden Ende der Kanzlerzeit Ihres Mannes geahnt?
Kurz vor dem 1. Oktober 1982, dem Tag des konstruktiven Misstrauensvotums, wollte ich nach Brasilien, an den Nebenfluss Tabajos, ziemlich zur Mündung des Amazonas hin. Ich hatte von Projekten dort gehört, dass Bauern unter Obstbäumen oder Palmen Gemüse anbauten – sehr intensive Landwirtschaft, das wollte ich mir anschauen. Ich habe Helmut gefragt, ob ich trotz der angespannten Lage in seiner Koalition reisen solle, und er sagte: »Fahr du man ruhig los.«
Sie sind dann nach Brasilien geflogen. Haben Sie während der Reise gedacht, da könnte in Bonn etwas passieren?
Nein, das habe ich nicht
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