Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
ihn begrüßt oder mich verabschiedet, aber kennenlernen kann man einen Menschen nur, wenn man sich wenigstens ein paar Minuten mit ihm unterhält. Dafür war bei unserer Begegnung in New York keine Zeit.
Ihr Mann hatte oder hat in Amerika viele gute Freunde. Um nur einige zu nennen: die ehemaligen Außenminister George Shultz und Henry Kissinger oder die Chefs der US-Bundesbank, Arthur Burns und Paul Volcker. Waren diese Herren auch Ihre Freunde?
Von all denen habe ich einen Eindruck, das heißt, ich kenne sie. Ich habe mich auch mit allen unterhalten, und sie gefallen nicht nur Helmut, sondern auch mir. An Paul Volcker zum Beispiel erinnert mich eine lustige Episode, bei der meine beiden Kinder – meine Tochter und ihr Lebensgefährte – eine Rolle spielten. Wir haben uns irgendwo in Europa getroffen. Ich weiß noch, dass ich mich mit irgendjemandem unterhielt, und auf einmal waren Paul Volcker und meine beiden Kinder verschwunden. Dann hörte ich ein lautes Singen – da sangen die drei gemeinsam und aus voller Brust irische Lieder.
Paul Volcker hatte wahrscheinlich irische Vorfahren. Kissinger haben Sie natürlich intensiver kennengelernt.
Den habe ich oft gesehen, und George Shultz auch. Bei ihm haben wir einmal für längere Zeit in Kalifornien gewohnt.Während des Besuchs habe ich in der Umgebung botanisiert und bin dabei auf Leute gestoßen, die mich da Blumen pflücken sahen und fragten, ob ich dafür eine Genehmigung hätte. Ich sagte ihnen, ich sei Biologin und die Pflanzenwelt in ihrer Gegend sei hochinteressant, außerdem wohnte ich bei George Shultz und wir seien Freunde von ihm. »Ach, dann dürfen Sie. Und wo kommen Sie denn her?« Ich sagte: »Ich weiß, dass diese Pflanzen geschützt sind, aber ein Exemplar möchte ich gern für das botanische Institut nach Hamburg mitnehmen.« – »Natürlich … Und dass Sie sich so für unsere Pflanzen interessieren!« Hinterher hörte ich, dass es Nachbarn von George Shultz waren. Sie waren sicher erfreut, dass sich eine deutsche Biologin für ihre Pflanzenwelt interessierte. – Henry Kissinger habe ich von allen amerikanischen Freunden natürlich am meisten getroffen, hier und drüben. Seine Frau Nancy auch, aber nicht so oft.
Helmut Schmidt war ungefähr hundertmal in den USA und in sämtlichen Bundesstaaten, außer Idaho und den Dakotas. Hatten Sie ebenfalls Gelegenheit, das Land zu bereisen?
Ich war zum Beispiel in den nördlichen Bundesstaaten, die an Kanada grenzen. Die Niagarafälle habe ich besucht. Auch in Kalifornien bin ich gewesen, aber nur, um dort jemanden zu treffen. Ich bin in Amerika nicht umhergereist, um Land und Leute kennenzulernen. In all den Jahren habe ich niemals ein touristisches Programm absolvieren können. Natürlich habe ich am Rande von offiziellen oder halboffiziellen Besuchen einiges vom Land gesehen. Aber mal drei Tage intensiv eine Landschaft angucken zu können ist schon etwas anderes. Solche touristischen Einblicke waren mir auf meinen Amerikareisen nicht vergönnt. Wenn Sie Helmut konkret nach seinen Erlebnissen in den Vereinigten Staaten fragten, würde er Ihnen bestimmt eine ähnliche Antwort geben.
Haben Sie je bereut, 1950 das Angebot von »Onkel August« Hanft aus Duluth, nach Amerika auszuwandern, nicht angenommen zu haben?
Das habe ich nie bedauert. Natürlich sagt man sich, man hätte es drüben unmittelbar nach dem Krieg sehr viel leichter gehabt. Unsere Tochter wäre in Amerika groß geworden. Man kann sich lauter Positiva vorstellen, aber auch Negativa. Bei mir spielte außerdem eine Rolle – und jetzt können Sie gern lachen –, dass ich schon als Kind und noch als Dreiviertelerwachsene große Mühe hatte, mich anderswo, zum Beispiel in München, richtig zu Hause zu fühlen. Ich kenne den Botanischen Garten in München sehr gut, aber ich könnte in der Stadt nicht heimisch werden. Das gilt auch für andere Städte und Gegenden. Was unsere Ausreise nach Amerika angeht, die damals durchaus im Bereich des Möglichen lag, habe ich zu Helmut gesagt: »Wenn du meinst, wir sollten da hin, dann komme ich natürlich mit. Aber wenn du mich nach meiner persönlichen Einstellung fragst, sage ich, wir werden auch hier irgendwie durchkommen.«
Wie hat sich Ihr Amerikabild im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Es hat sich nicht grundlegend verändert. Aber ich bin neugierig, wie es mit Amerika weitergeht, wenn die Hispanics, die Latinos, die Oberhand gewinnen sollten; die Spanisch sprechende Minderheit in
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