Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
dreiundneunzig Jahren starb, immerhin achtundfünfzig Jahre verheiratet gewesen; nicht ganz so lange wie Helmut und ich, aber immerhin.
Als Gerald Ford 1977 Jimmy Carter im Weißen Haus Platz machen musste, war Ihr Mann beunruhigt, weil er sich mit Ford gut verstanden hatte, dessen Nachfolger aber ein unbeschriebenes Blatt für ihn war. Wie haben Sie den Mann aus Plains in Georgia erlebt?
Kurz nachdem Carter sein Amt übernommen hatte, waren wir drüben zum Antrittsbesuch beim neuen Präsidenten. Wir wohnten im offiziellen Gästehaus gegenüber dem Weißen Haus. Aus dem Blair House habe ich Gerald Ford angerufen und ihm zum Geburtstag gratuliert. Mir war klar, dass das nicht ganz protokollgerecht war, im Gästehaus des Präsidenten seinem Vorgänger zum Geburtstag zu gratulieren. Aber ich habe es trotzdem getan.
Ihr Mann hat es ja nicht leicht gehabt mit Jimmy Carter. Haben Sie gelegentlich sein Stöhnen über diesen Präsidenten vernommen?
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er mit mir über Schwierigkeiten mit Carter gesprochen hätte, obwohl die natürlich bestanden. Helmut hat wohl mehr über die Unerfahrenheit des ehemaligen Gouverneurs von Georgia gestöhnt, der sich in der Weltpolitik, aber auch mit dem Protokoll bei offiziellen Besuchen nicht sonderlich gut auskannte. Seine Frau Rosalynn hat ihn dann manchmal mit Worten leicht geschubst, um ihn in Reih und Glied zu bringen.
Das hatten Sie bei Ihrem Mann nicht nötig.
(schweigt) Ich denke an etwas, woran Sie nicht denken können: Zu Kinderzeiten, als Helmut körperlich sehr viel kleiner war als ich, musste unsere Lehrerin Kinder aus vielen verschiedenen Schulen zu einer Klasse formen. Helmut kam aus einer sehr strengen Knabenschule. Sie mussten dort noch mit den Händen auf den Tischen sitzen. Diszipliniert ist er ohnehin sein Leben lang gewesen, bis zu einem gewissen Grade zumindest.
Noch einmal zurück zu Rosalynn Carter: Sie war souveräner als ihr Mann, was Regeln anging. Weil sie etwas streng erschien, wurde sie als Frau aus dem amerikanischen Südstaat Georgia auch die »eiserne Magnolie« genannt.
Wenn sie kritisiert wird, wird aber immer vergessen, dass sie natürlich besorgt war, dass ihr Mann, der neue Präsident, nicht alles richtig machte. Und ich finde es durchaus legitim, dass sie ihn vor Fehlern bewahren wollte.
Amy, die Tochter der Carters, die bei fast allen Gelegenheiten dabei war, ist Ihnen doch wahrscheinlich auch nicht erspart geblieben?
Sie war eigentlich immer dabei. Amy wurde zum Beispiel bei der Rheinfahrt, die wir für Rosalynn Carter organisiert hatten und bei der wir in kleinen Städten Station machten, immer mit ins Rathaus genommen. Wenn wir uns in das Goldene Buch eintragen mussten, war sie dabei und hat ebenfalls geschrieben. Manchmal hat sie eine kleine Maus hinter ihren Namen gemalt.
Einmal hat sie eine Puppe geschenkt bekommen. Im Auto mit uns beiden Frauen schaute sie sich diese Puppe genau an, lüftete deren Röcke, guckte, was sie für Unterzeug anhatte. Dann fragte sie: »Wann kommt die nächste Station?«, und fing an, die Puppe auszuziehen. Das wollte sie nun ganz genau sehen, und anschließend hat sie sie auch wieder angezogen. Das war so typisch kindlich, dass ich dachte: Dieses ganze Affentheater, das mit ihr veranstaltet wird, ist nicht bis in ihr Innerstes gedrungen. Ich erinnere gerade dieses Puppenausziehen ganz besonders. Es kam auch mal vor, dass sie sich an einen drückte und gestreichelt werden wollte. Im Auto, nur mit ihrer Mutter und mir, hat sie sich wie jedes Kind in dem Alter benommen. Das habe ich wiederholt gesagt, wenn es hieß: »Das arme Kind.«
Auf der anderen Seite hat sie den ganzen Rummel wahrscheinlich auch genossen, das ist klar. Wenn man in dem Alter, mit höchstens zehn Jahren, so im Mittelpunkt steht, dann ist das schon was. Ich habe ihr mal ein rundes Taschentuch mitgebracht mit lauter Gänseblümchen als Rand. Das war nun zwar eine besondere Form von Taschentuch, ansonsten aber nichts Besonderes. Wie sie sich darüber gefreut hat, dass ein Taschentuch auch mal rund ist und man genau erkennen konnte, dass die Blumen am Rand daisies waren! Mir hat das gezeigt: Amy Carter benimmt sich immer noch wie ein ganz normales Kind; das Kindliche ist ihr trotz allem nicht verlorengegangen. Ich habe manchmal auch Kinder, zum Beispiel von Politikern, erlebt, die sich wie kleine Erwachsene benommen haben, und das fand ich dann nicht so toll.
Zu einer Begegnung mit den Carters kam es
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