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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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letzten Ruck, mit dem die Opfer am Strick endeten.
    »Ich sehe«, sagte der Mandarin, »daß sie an der Sache Geschmack finden.«
    »Blutgeschmack«, antwortete ich.
    Ich brauchte zwei Stunden, mir die Einzelheiten dieses Falles einzuprägen. Der Colonel sammelte seine Sprengladung wieder sorgfältig ein. Im Hotelhof wartete ein Lieferauto auf ihn.
    »Denken Sie daran«, sagte er beim Abschied, daß man vorsichtig fährt, wenn man Dynamit im Kofferraum hat. »Macache!« entgegnete ich. »Wer weiß noch, daß Sie mit mir in Verbindung getreten sind?«
    »Niemand«, versicherte der Mandarin: »Wichtige Dinge erledige ich selbst.«
    Der Geruch seines Metiers hatte sich im Raum verfangen.
    Ich riß das Fenster auf.
    Ich hatte mich auf ein ausgiebiges Dîner mit meinem Verleger im Tour d'argent, im Lapérouse oder im Grand Vefour gefreut; jetzt rief ich ihn an und bat ihn, unser Gespräch auf morgen zu verschieben.
    Ich hatte keinen Appetit mehr. Die Scheußlichkeit lag mir im Magen. Ich wußte, daß ich meine Feder in Blut tauchen mußte.
    War dem Mandarin, diesem Untergrundfachmann par exellence, ein Fehler unterlaufen?
    Ich wollte gerade das Hotelzimmer verlassen, als das Telefon klingelte.
    »Monsieur«, sagte eine barsche Stimme, »ich warne Sie vor dem Fall Ben Furka. Lassen Sie Ihre Finger davon!«
    »Wer sind Sie?« fragte ich.
    »Tut nichts zur Sache«, erwiderte der Mann.
    »Eine Drohung?« fragte ich.
    »Und ob«, entgegnete der Unbekannte. »Sie kennen doch unsere Praktiken, oder?«
    »Gerade weil ich sie kenne, interessieren sie mich«, versetzte ich.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung hatte bereits aufgelegt. Ich kannte die Gefährlichkeit dieser Burschen, aber ich würde morgen Paris wieder verlassen. Zudem war es nicht die erste Drohung, die ich überlebt hatte.
    Laura erwartete mich in München-Riem. Sie hatte mich oft zu einem Airport gebracht, aber heute holte sie mich zum erstenmal an einem Flugplatz ab.
    Wir waren albern; wir durften es sein, denn wir waren glücklich. Ich erzählte ihr ein erfundenes Abenteuer mit einer Tänzerin aus dem »Crazy-horse-Saloon«, und Laura warnte mich davor, daß sie ein Putzteufel sei.
    »Stell dir vor«, sagte sie, »ich habe richtig gestöbert. Es war auch gut so. Und als ich fertig war, kamen zwei Blaukittel vom Fernsprechamt und machten alles wieder schmutzig.«
    »Vom Fernsprechamt?« fragte ich. »Wieso?«
    »Sie wollten unseren Telefonanschluß überprüfen.«
    »Aber der war doch in Ordnung.«
    »Routine, sagten sie.«
    Der Tag verwöhnte mich zu sehr, als daß ich diese Mitteilung richtig ausgewertet hätte; ich sah nur Laura. Sie redete ununterbrochen wie ein aufgeregtes Kind. Ich hörte zu und hatte ihre Worte jeweils an der nächsten Ecke vergessen.
    Ich wußte ohnedies, was wir uns zu sagen hatten.
    Wir verliefen uns auf dem riesigen Parkplatz und lachten, weil Laura meinen Wagen nicht finden konnte. Wir gingen nach rechts, nach links. Zwischendurch blieben wir stehen und küßten uns, und wenn wir Leute trafen, die uns verwundert betrachteten, küßten wir uns noch einmal: ein Mann von fast vierzig, eine Frau von dreißig, nicht mehr die Jüngsten und sicher auch nicht die Schönsten, aber die Glücklichsten an diesem Tag und an jedem anderen, der sich anschließen würde.
    Schließlich fanden wir den Fiat. Laura reichte mir den Zündschlüssel.
    Ich bat sie, den Wagen zu fahren.
    »Soviel Vertrauen?« fragte sie.
    »Mitnichten«, antwortete ich, »aber wenn ich neben dir sitze, muß ich dich ansehen. Wenn ich dich ansehe, habe ich für nichts anderes mehr einen Blick. Also ist es immer noch besser, mich von dir chauffieren zu lassen, als selbst das Steuer zu bedienen.«
    »Ich mag dich, wenn du so geschwätzig bist«, erwiderte Laura.
    »Und wann magst du mich nicht?«
    »Bis jetzt immer«, versetzte sie, »aber wir sind ja noch nicht lange beisammen.«
    »Eine halbe Stunde«, entgegnete ich, »und siebenlange Jahre.«
    »Mit vielen Unterbrechungen«, erwiderte Laura.
    »Die sich nie mehr wiederholen sollen.«
    »Denn Liebe braucht Zeit«, erwiderte sie altklug.
    »Und man nehme, so man hat«, antwortete ich, »und wir haben!«
    Laura wollte anfahren. Ich zog sie an mich. Ihr Fuß rutschte vom Gaspedal. Der Wagen machte einen kleinen Ruck, der Motor wurde abgewürgt. Der Parkwächter fuchtelte. Laura streckte ihm die Zunge heraus. Er wollte böse werden, aber das Trinkgeld machte ihn lächeln. Ich hätte gerne allen Menschen Geldscheine zugeworfen,

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