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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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dich in einen Verzicht hinein und spielst für uns den Brautwerber.« *
    »Es ist kein Verzicht«, entgegnete Wolfgang.
    »Aber du magst Laura doch«, rief ich, »Unsinn«, fuhr ich fort, »du liebst sie. Ja, natürlich liebst du sie. Und …«
    »Ich möchte, daß Laura glücklich wird«, erwiderte er und verfolgte das Spiel der Flammen, aber ich wußte, daß er nur die Augen abwenden wollte: »Und ich weiß, daß sie es mit dir sein wird.« Er nahm den Schürhaken und stocherte in der Glut herum, ging dabei so nahe an das Feuer heran, daß sich die Gläser seiner Brille beschlugen.
    Er konnte mich wieder voll ansehen: »Sie braucht dich«, sagte er, »und du brauchst sie.« Er stand auf, klopfte mir auf die Schulter. »Und wir beide werden heute nacht weder gut schlafen noch uns den Schädel einschlagen.«
    »Du bist ein feiner Kerl«, sagte ich mit einer feigen Stimme.
    »Und du ein großer Trottel«, versetzte Wolfgang und knallte die Tür zu.
    Am Morgen kam Laura. Sie brachte Sonne mit und frisches Lächeln, eine Amerikanerin in einem bayerischen Dirndlkleid, die sich sehr rasch in Europa eingelebt hatte, da, wie bei vielen ihrer Landsleute, der alte Kontinent immer ein Traumziel gewesen war.
    »Hat er dich geschafft?« fragte sie.
    »Wie sieht es mit dir aus?«
    »Wie immer«, antwortete Laura.
    »Dann ist es schlimm.«
    »Schlimm und schön«, entgegnete sie.
    »Und wie stellst du dir die Zukunft vor?«
    »Prächtig«, erwiderte sie. »Du wirst viel schreiben, und wir werden miteinander lachen und tanzen. Und wir werden uns lieben, bis wir uns satt bekommen. Und dann zur Abwechslung verreisen …«
    »Ich werde dich nie satt bekommen«, antwortete ich.
    Ich wurde seßhaft, lokal und sentimental. Ich kaufte einen kleinen Fiat und vertauschte die große Welt mit der idyllischen rings um den See. Tage addierten sich zu Wochen. Monate vergingen. Ich wurde faul, und wir blieben glücklich.
    »Steh auf, Faulpelz«, sagte Laura eines Morgens.
    Mein französischer Verleger lud mich zur Premiere einer neuen Buchausgabe nach Paris ein.
    »Genau das richtige für uns«, sagte ich.
    »Nein«, entgegnete Laura, »eine Trennung tut uns ganz gut.«
    »Ist es schon soweit?« scherzte ich.
    »Es wird nie soweit sein«, erwiderte sie, »aber ich möchte in dem Haus die Möbel ein bißchen umstellen und …«
    Laura blieb hartnäckig, zwei Tage waren auch nicht lang, und so flog ich allein.
    Als ich in Orly landete und die wattierte Luft unter dem Himmel von Paris kostete, überfiel mich die Sehnsucht nach Laura. Der Vorfrühling lockte die Menschen auf die Straßen. Aus dem hohen Bogen des Arc de Triomphe schoß das Sonnenlicht wie ein gleißender Strom. Der Tag machte froh, die Mädchen lächelten. Sie trugen bunte Kleider und Neugier auf das Leben im Gesicht. Sie waren hübsch und jung, aber wenn ich sie mir genau ansah, mußte ich sie bedauern, weil sie so wenig von Laura hatten.
    Die Häuser lehnten sich aneinander wie zärtliche Pärchen. Sie hatten alte Gesichter, aber die Sonne machte sie jung, hell. Selbst der Modergeruch, der ihren Mundhöhlen entströmte, schien erträglich. Die Autofahrer ließen den Kindern Zeit, ihre über die Straße rollenden Bälle wieder einzufangen. Es war der erste Tag seit langen, an dem in Paris keine Plastikbombe krepierte; selbst die Attentäter schienen sich im Bois de Boulogne zu ergehen.
    Mein Stammhotel lag in einer Nebenstraße der Champs-Elysées. Der Portier begrüßte mich wie einen alten Bekannten. Es war zu einer selbstverständlichen Aufmerksamkeit des Hauses geworden, mir immer das gleiche Zimmer zu geben.
    Während der Mann an der Réception fragte, ob ich eine gute Reise gehabt hätte, machte er ein Gesicht, als wolle er sich bei mir entschuldigen.
    Ich konnte es nicht deuten.
    Als ich Zimmer 36 betreten hatte und den kleinen, schmächtigen Mann mit dem gelben Teint und den leicht geschlitzten Augen antraf, wußte ich es. »Übrigens jetzt Colonel«, begrüßte mich der Mandarin, nachdem ich die Türe geschlossen hatte, »und Nummer drei im ›Deuxième Bureau‹.«
    »Woher wußten Sie, daß ich nach Paris käme?«
    »Entschuldigen Sie den Überfall«, entgegnete der Mandarin. »Wir schauen uns routinemäßig Orlys Passagierlisten an. Als ich Ihren Namen las, wußte ich auch, wo ich Sie treffen könnte.«
    »Weshalb die Umstände?« fragte ich.
    Die Jalousien waren heruntergelassen. Sie dosierten Licht und Schatten. Der Colonel trug ein bizarres Streifenmuster in seinem

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