Auf dem Rücken des Tigers
französischen Oberst entführt und über die Grenze geschafft, in Frankfurt einen Waffenhändler mit seinem Auto in die Luft gejagt und im Bonner Regierungsviertel einen arabischen Diplomaten angeschossen hatten. Es war den Mördern gar nicht darauf angekommen, die Handschrift ihres Verbrechens zu verbergen. Es gehörte zu ihrem System, durch Terror abzuschrecken.
»Nachdenklich?« fragte Laura, als ich in das Kamin zimmer zurückkam.
»Ich habe da aus Paris eine tolle Geschichte mitgebracht«, antwortete ich zögernd.
»Und?«
»Heiß«, erklärte ich und berichtete über den Fall Ben Furka.
»Sind diese Leute nicht gefährlich?« fragte Wolfgang.
»Hier wohl nicht so sehr«, entgegnete ich. »In Nordafrika habe ich schon einmal einen Schlagabtausch mit ihnen gehabt.«
»Und die Polizei tut gar nichts?« fragte Laura weiter.
»Sie hat gebundene Hände. Paris schützt seine Folterveteranen.«
»Mußt du immer noch in solchen Dingen herumstochern?« fragte Wolfgang.
»Er muß«, erwiderte Laura. »Er kann's nicht lassen. Er gibt nicht auf. Er ist ein Moralist«, sie lächelte fein, »deshalb mag ich ihn ja so.«
Wir begleiteten Wolfgang zurück zu seiner Klinik.
Dann hatten wir uns wieder.
Am nächsten Morgen wollte ich diese Ben-Furka-Geschichte in den Griff bekommen. Aber dann sah ich Laura – und der Tag bot mir Wichtigeres.
»Halte ich dich von der Arbeit ab?« fragte sie.
»Und ob«, antwortete ich, »und sie ist unbezahlbar.«
»Willst du mich bezahlen?« neckte sie.
»Ich will dich lieben«, entgegnete ich.
»Schon wieder?«
»Immer wieder …«
»Wie lange noch?« fragte Laura.
»Einen Tag länger als du mich«, versetzte ich.
»Angeber.«
»So lange ich liebe, lebe ich«, sagte ich. »Cogito ergo sum.«
»Descartes«, sagte Laura.
»Du bist ja gescheit!«
»Und du unverschämt«, antwortete Laura.
Wir hatten kein Gefühl für die Zeit. Wir brauchten es auch nicht zu haben. Wie viele Tage wir in schwereloser Heiterkeit miteinander verbrachten, wußten wir erst, wenn wir auf den Kalender sahen.
Die Post stapelte sich zu Bergen. Wir ließen sie ungeöffnet liegen.
»Morgen mußt du wirklich arbeiten«, mahnte Laura.
»Übermorgen«, erwiderte ich. »Laß mich doch meinen Neigungen leben.«
»Schreiben ist doch auch eine deiner Neigungen. Oder nicht?«
»Ich möchte nicht, daß du dich langweilst«, schränkte Laura ein, »weil ich dir etwas nehme …«
»Du gibst«, sagte ich, »du nimmst nicht.«
»Du schmeichelst«, konterte sie, »und wer schmeichelt, lügt.«
Laura lieferte mich in dem kleinen Arbeitszimmer ab, das ich mir eingerichtet hatte. Ich überlegte den Anfang meiner Geschichte. Da ich ihn nicht fand, suchte ich Laura. Aber sie war entweder weggegangen oder versteckte sich im Haus.
Daß sie nicht störte, wenn ich zu tun hatte, entdeckte ich als eine neue Tugend. Dabei hatte sie ohnehin schon so viele, daß ich nicht wußte, wo ich noch weitere unterbringen sollte.
»Laura!« rief ich durch das Haus.
Sie antwortete nicht.
Ich sah, daß unser kleiner Fiat in der offenen Garage stand – Laura besuchte sicher Wolfgang; sie tat es oft, um ihn den leeren Platz an seiner Seite nicht spüren zu lassen. Abgesehen von dem Unrecht, das wir dem Freund antaten, war Laura von großer Gerechtigkeit in der Zeitaufteilung.
Ich ging wieder an meinen Schreibtisch zurück und suchte den Anfang eines Artikels, den ich, brächte ich Laura aus meinen Gedanken, aus dem Ärmel schütteln könnte.
Ich stand am Fenster und sah sie kommen.
Ich pfiff ihr.
»Warum arbeitest du nicht?« rief sie zu mir herauf.
»Warum treibst du dich außer Haus herum?«
»Weil ich dich nicht stören will«, schrie sie zurück.
»Nichts stört mich mehr als deine Abwesenheit«, wurde ich noch lauter.
Nachbarn blieben stehen und lachten.
Ich ging nach unten und nahm Laura in die Arme.
»Schluß für heute«, sagte ich.
Wir hatten unsere kleinen Spazierwege, unsere speziellen Kneipen, unsere bevorzugten Restaurants, unsere Leibspeisen und unsere Lieblingsstunden. Wir vertrödelten sie mit Muße und Genuß. Wir brauchten nicht zu geizen. Wir hatten Zeit. Und Zeit war Glück. Und Glück ist Glas. Wenn wir daran dachten: Glück und Glas, mußten wir lachen, denn es galt nur für die anderen, für uns bedeuteten Scherben Glück.
»So«, sagte Laura am nächsten Morgen. »Jetzt geleite ich dich feierlich an deine Werkbank.«
Sie hängte sich bei mir ein, schob mich in Richtung
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