Auf dem Rücken des Tigers
ob ich in die Staaten zurückkehren werde.«
»Oder?« fragte ich.
»Oder ob ich hier – sozusagen bei euch bleibe.«
»Bin ich hier eigentlich in einer Irrenanstalt?«
»Du bist zu Hause«, sagte Laura ruhig.
»Und du wirst es auch bleiben«, ergänzte Wolfgang, »und weder in den Kongo fahren noch nach Südostasien oder wo es sonstwo brennt.« Er sprach mit Grimm: »Ich bin Arzt, und ich werde dir nunmehr ein für allemal die Pyromanie austreiben.«
»Mir?«
»Dieses Gespräch ist persönlich«, übernahm Laura wieder ihren Part, »wir wollen deshalb politische Abschweifungen vermeiden.«
Auch sie hatte sich verändert; kein Hauch von Schwermut mehr. Laura wirkte eher aggressiv als introvertiert. Sie war kein hilfloses Geschöpf, das gegen die Schatten einer Vergangenheit ankämpfte, eher eine Frau, die bewußt ihre Reize als Waffen verwandte.
Es wurde mir klar, daß es Wolfgang geschafft haben mußte: entweder hatte er ihr die Selbstvorwürfe wegsuggeriert oder endlich eine Therapie gefunden, auf die sie ganz ansprach.
Der Feuerschein des Kamins spiegelte sich in Lauras Gesicht, machte es hell und glühend, tauchte es in Dunkel und ließ ihre Augen glänzen; sie schien die Hände zu bewegen, die ruhig in ihrem Schoß lagen, Hände, die ich am ganzen Körper spürte. Hände, die sich wie bei dem Zaubertrick des Magiers befreit hatten, doch Magier sind Illusionisten, Gaukler, Lügner.
»Christian«, begann der Freund wieder, »du hast doch selbst festgestellt, daß ich für die Ehe ungeeignet bin. Mich allein trifft die Schuld.« Er sprach ruhig, Logik als Versuchung nutzend: »Ich habe meine Patientin geheiratet und …« Wolfgang beugte sich vor, sah mich fest an, mit einem Lächeln, das ungezwungen schien, befreit schien: »Es gibt viele, sogar recht akzeptable Ärzte, die ihre eigene Frau nicht behandeln können.«
»Dann braucht Laura einen anderen Arzt«, antwortete ich, »doch keinen anderen Mann.«
»Vielleicht kann ich ihr besser helfen, wenn ich nicht mehr ihr Mann bin.«
»Macht, was ihr wollt«, fuhr ich ihn an, »aber laßt mich mit eurer psychoanalytischen Verstiegenheit in Frieden.«
»Wie stehen wir eigentlich miteinander?« fragte Laura.
»Wie meinst du das?« erwiderte ich giftig. »Bevor oder nachdem wir Wolfgang betrogen haben?«
»Wie pathetisch«, entgegnete er.
»Und wie geschmacklos«, ergänzte Laura.
»Und wie tatsächlich«, versetzte ich.
Ich traute ihnen nicht, so gerne ich ihre Feststellungen hörte und so selbstverständlich sie nun verschlossene Türen von selbst zu öffnen schienen. Ich traute ihnen nicht und tat recht daran. Sie hatten sich die Karten zurechtgelegt. Sie waren Falschspieler, die mir den Erfolg zuschanzen wollten. Wäre ich fair, würde ich auf den Gewinn verzichten. In Gedanken gebrauchte ich bereits den Konjunktiv: Ich wußte, wie nahe ich am Überlaufen war.
»Laura und ich gehören zusammen«, sagte Wolfgang, »doch nicht als Mann und Frau. Ihr wart von Anfang an für einander bestimmt.« Er griff nach der Flasche. »Deine Hartnäckigkeit bringt mich noch zum Trinken.« Er goß sich ein, schob die Flasche wieder weg: »Ich hab es nur ein paar Wochen zu spät bemerkt. Und dann sind wir uns – in aller Freundschaft – ausgewichen: ich in diese verdammte Klinik und du auf diese dämlichen Kriegsschauplätze.«
Laura saß zwischen uns, wie sie immer zwischen uns gestanden hatte. Sie wirkte unbefangen, fast ein wenig frivol. Auf einmal stand dieses Dreiecks-Karussell, das uns seit Jahren durcheinandergewirbelt hatte, still.
»Außerdem stellen wir dir kein Ultimatum«, fuhr Wolfgang fort, »wir fixieren nur einen Zustand.«
»Nunmehr wird mir das Gespräch zu eintönig«, griff Laura wieder ein und stand auf.
Ich erfaßte, daß auch dieser vorzeitige Abgang abgesprochen war: »Wolfgang«, sagte sie, »paß auf, daß er nicht zu viel trinkt.« Ein impertinentes Lächeln nistete sich in ihr Gesicht. »Und du, Christian, sorg dafür, daß Wolfgang nicht deinem Laster verfällt. So long«, rief sie. »Und nun schlaft gut oder schlagt euch den Schädel ein.«
Laura ging, und einen Moment schien es, als hätte uns mit ihr die Unbefangenheit verlassen.
»Was hast du mit ihr gemacht?« fragte ich Wolfgang.
»Nicht viel«, erwiderte er. »Ich habe, seitdem ich dieses Sanatorium führe, endlich mehr Zeit für meine Patienten.« Sein Spott klang ernst: »Das gilt auch für dich.«
»Dein Rezept ist mir zu einfach«, sagte ich. »Du steigerst
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