Auf dem Rücken des Tigers
so sie nur an diesem Tag, der seinen Sonntagshabitus angezogen hatte, alle lächeln würden.
»Verschwender«, rügte Laura und legte ihre Hand auf meinen Arm.
»Danke«, sagte ich, nahm sie, drehte sie um, küßte die Innenfläche und legte sie wieder an das Lenkrad. »Bin schon süchtig. Und hörig. Und das auch noch einer Amerikanerin.«
»Was hast du gegen Amerikanerinnen?« fragte Laura. »Tagsüber Frauenverein, nachts Lockenwickler in den Haaren. Tiefgekühlte Exzesse im Bett. Und am Morgen moralische Kontrollstation für die ganze Nachbarschaft.«
»Das mit den Exzessen stimmt«, erwiderte sie, »wenn du mich meinst.«
»Attention, please«, bat ich, »sonst erreichen wir die Stätte unserer Gemeinsamkeit nicht mehr.«
»Warum sollten wir auch«, fragte Laura und hielt vor der nächsten Dorfschenke.
Ich begriff zuerst nicht.
Sie stieg aus.
»Angst?« fragte sie.
»Warum hier?« fragte ich.
»Warum nicht überall?« entgegnete Laura.
»Eigentlich hast du recht.« Ich sah den Kolonialwarenladen neben der Gaststätte. »Just a moment, please.«
Der Laden war leer, und ich genoß die Genugtuung, daß Laura mit meinem Alleingang nichts anzufangen wußte.
»Was ist?« fragte sie, als ich zurückkam.
»Nichts«, antwortete ich und wies ihr zwei in Zellophan verpackte Zahnbürsten vor.
In der Wirtsstube saßen ein paar Leute: Arbeiter, Bauern. Einige hatten die Hüte auf dem Kopf.
Der Wirt kam mit grüner Schürze und offenem Hemd auf uns zu.
»Haben Sie noch ein Zimmer frei?« fragte ich.
»Sakra«, erwiderte er und kratzte sich am Kopf. »Jetzt?«
»Gerade jetzt«, entgegnete ich, »wir sind auf der Hochzeitsreise.«
Er starrte uns an.
Ich zog Laura hoch:
»Dann müssen wir uns eben mit unsrem eigenen Bett begnügen«, rief ich.
Der Auftritt war geglückt. Die Gäste sahen uns mit offenem Mund nach. Wir fuhren weiter. Schließlich erreichten wir unser Domizil, den Bauernhof gegenüber der Klinik.
Ich hatte es nicht eilig mit meinem Bericht über den Fall Ben Furka. Keiner konnte mir zuvorkommen, der Mandarin hatte die Information nur einem Mann zugespielt. Außerdem mußte das Manuskript noch übersetzt werden, da es gleichzeitig in London, Paris, Rom, New York und anderen Weltstädten explodieren müßte, wenn es nicht ein Schlag ins Wasser werden sollte.
Ich kam ein paar Stunden vom Telefon nicht los, um die Redaktionen meiner Zeitungen zu verständigen. Dabei überlegte ich, ob es nicht vielleicht besser, wäre, mit Laura an einen unbekannten Ort zu verreisen, bis der Skandal verebbt sein würde und die französische Polizei zugegriffen hätte.
Aber die Amerikanerin war so gerne am Starnberger See. Zudem würden sich die Agenten der ›Roten Hand‹ wohl weniger frei in Deutschland bewegen können als in Frankreich.
Ich spürte Unruhe und überhörte sie wiederum.
Auf meinen Instinkt konnte ich mich sonst verlassen.
Das Glück mußte ihn verschüttet haben.
Ich rief Wolfgang an.
»Wieviele Tote heute in der Klinik?« fragte ich ihn.
»Wo habt ihr euch so lange herumgetrieben?«
»Komm her«, forderte ich ihn auf.
Wolfgang kam tatsächlich sofort, ein strapazierter Erfolgsmensch, der sich für das Familienfest seines Freundes gewaltsam ein paar Stunden frei machte; nach einigen Anläufen gelang es sogar ihm, seinen Terminkalender zu vergessen.
»Euch fehlt gar nichts, was?« fragte er.
»Du bist ein ausgezeichneter Kurpfuscher«, erwiderte ich.
Nebenan klingelte erneut das Telefon.
Laura nahm den Hörer ab. Es hörte sich an, als stritte sie.
Dann kam sie zurück.
»Ein komischer Kerl ist am Apparat«, sagte sie: »Ich konnte ihn nicht abwimmeln.«
Ich erkannte die Stimme sofort, obwohl ich sie erst einmal gehört hatte: in Paris.
»Monsieur«, sagte der Unbekannte, »Sie haben heute nachmittag mit mehreren Zeitungen in Sachen Ben Furka telefoniert. Überlegen Sie es sich noch einmal.«
»Da gibt es nichts zu überlegen«, erwiderte ich gereizt.
»Letzte Warnung«, sagte der Bursche und legte auf.
Bluff, sagte ich mir, selbst wenn es diesen Leuten gelungen wäre, meine Telefonleitung anzuzapfen oder über eine andere Leitung – etwas außerhalb der Legalität – mitzuhören. Ich überlegte, wie viele Drohbriefe und telefonische Warnungen ich im Laufe der letzten Jahre erhalten hatte: viel. Und daß ich sie alle überlebt hatte, entlarvte sie als Bluff.
Dabei war in den Zeitungen zu lesen gewesen, daß Untergrundagenten vom Schlage der Barbouzes in München einen
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