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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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wird doch langweilig, immer offene Türen einzurennen.«
    Natürlich hatte sie recht. Aber ich sah die Sache aus der Perspektive des befristeten Europa-Trips, und Aglaia wollte mich – ihre Forderung jetzt auch schon mit Drohungen bestückend – für das Leben haben.
    Nun fiel mir auch zunehmend auf, daß ihre Handgriffe nicht nur in der Intimsphäre berechnend waren. In einem Fall gefiel es mir, aber wie Hemingway – als Nobelpreisträger dieses Jahres von mir interviewt – sagt: »Life is not a cocktail-party.«
    Wir kamen über die Hanauer Landstraße, erreichten das Industriegelände, sahen geflickte Werkhallen, neben modernen Superbauten, viele trugen den Namen Schindewolff: in Neon, als leuchtete dieser Name nicht ohnedies genug.
    Georg, der Älteste, dem Vater Ähnlichste, war der Ingenieur des Wiederaufstiegs. Was er nicht geschafft hatte, hatten die Engländer vollbracht, indem sie einen Teil der veralteten Anlagen demontierten, weshalb die Manager des Konzerns in Amerika moderne einkaufen konnten. Was die Engländer nicht schafften, vollbrachten die deutschen Arbeiter, indem sie jahrelang für ein Margarinebrot schufteten.
    »Was machen die Schindewolff-Werke eigentlich?« fragte Aglaia.
    »Umsatz«, antwortete ich. »Im vorigen Jahr 700 Millionen, in diesem fast eine Milliarde.« Ich passierte den Ostbahnhof und folgte der Markierung Goethe-Haus. »Ich habe tüchtige Brüder; der einzige, der im Sinne des Firmengründers nichts taugt, bin eigentlich ich.«
    »Aber du bist doch zu gleichen Teilen beteiligt?« fragte Aglaia und wandte das Gesicht ab, um das Interesse zu kaschieren.
    »Ich verdiene in meinem Job eigentlich auch ganz gut. Übrigens pfeife ich auf Geld.«
    »Das kann man sich auch leisten, wenn man genügend davon hat«, versetzte sie lachend.
    Wir redeten nie darüber, aber Aglaia konnte nicht viel Geld haben. Die Ersparnisse hatte zuletzt die Heil- und Pflegeanstalt aufgebraucht, in der ihr Vater gestorben war. Aber Aglaia war immer adrett; sie trug vermutlich Hausgeschneidertes mit der Grazie eines Mannequins von Dior, an dessen Glockenstil sich übrigens gerade der Geschmack verfangen hatte.
    Georg war auf Dienstreise. Erik vertrat ihn.
    Er klopfte mir auf die Schulter, küßte Aglaia die Hand. Sie kam aus einer anderen Welt als er, aber schon bei der ersten Begegnung sprangen sie nebeneinander in das gleiche Wasser. Mit Bravour. Kopfsprung. Aglaia nahm seine Huldigung so selbstverständlich, wie in der Stadt, aus der wir kamen, das tägliche Brot war.
    Sie war klug und gebildet, schlagfertig und damenhaft. Es war mir klar, daß ein Mädchen wie sie Erik faszinieren mußte. Diese Tatsache potenzierte die Freude an und mit ihr.
    »Wie lange bleibst du noch in Deutschland?« fragte Erik.
    »Sag mal«, erwiderte ich, »kann ich nicht aus unserem Konzern aussteigen, zum Beispiel gegen die vertragliche Regelung, daß Daniel Gersbach lebenslänglich angestellter Geschäftsführer bleibt?«
    »Daniel wird es bleiben«, erwiderte Erik, »auch ohne Kontrakt – und du kannst nicht aussteigen aus Gründen des Erbvertrages.«
    »Aber ich könnte diese Erbschaft ablehnen.«
    »Das könntest du«, versetzte Erik. »Aber Georg und ich würden das als einen Affront gegen uns auffassen. Gleiche Brüder, gleiche Anteile.«
    »Schlotbaron«, sagte ich, »Bruderherz.«
    »Übrigens schreibst du gut«, erwiderte Erik. »Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment ist, da ich ja sonst vorwiegend Geschäftsberichte und ähnlichen Kram lesen muß …«
    Erik betrachtete Aglaia. Er war kühl und beherrscht. Wir waren in seinem Büro, aber er sah das Mädchen an wie ein Liebhaber im Louvre Mona Lisa, eine Mona Lisa, die er von der Abbildung her kennt, und der er erstmals im Leben wirklich gegenübersteht.
    »Du bist ein Glückspilz, Christian«, sagte er.
    »Meinst du?«
    »Ja«, entgegnete er. »Das Leben poussiert dich.«
    »Dich nicht?« fragte ich.
    »Keiner kann aus seiner Haut«, erwiderte Erik. »Meine ist vielleicht zu dünn.«
    Er reichte Aglaia den Arm: »Gehen wir zu Tisch.«
    In den nächsten Tagen machte ihr Erik auf eine feine Art den Hof. Es amüsierte mich und schmeichelte mir auch. Er warb um etwas, das ich besaß – als Lehen freilich nur. Aglaia ging auf seinen Flirt ein und ermunterte ihn. Ein reizvolles Spiel zu dritt, zumal es spätestens ab Mitternacht eines zu zweit war.
    Aber ich spürte Stiche der Eifersucht und ärgerte mich: einmal, weil ich mir Eifersucht leistete, und zudem,

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