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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Schindewolff-Glaspalast betreten und die erste Unruhe über Eriks Ausbleiben erstickt. Sie sprach nicht darüber, wo sich ihr Mann aufhielt; selbst seine engsten Mitarbeiter nahmen nun an, sie sei verständigt, zumal sie sich wie selbstverständlich auf die Kommandobrücke des Konzerns stellte. Aglaia hatte keine Vollmacht, aber jeder würde die Befehle des Ersten Offiziers in Absenz des Kapitäns befolgen.
    Sebastians nächtliche Enthüllung machte Aglaia noch weniger Sorge als Eriks Verschwinden. Sie war nur an Christians Kopf interessiert. Sie würde den Fall abdichten, wenn sich die Beteiligung des Schwagers nicht nach weisen ließe. Den Jungen könnte sie auf eine Weise zähmen, die nicht nur seine politische Verwirrung regeln, sondern auch ihre fraulichen Erwartungen befriedigen müßte. Gedämpft morste ihr die Sinnlichkeit ein abendliches Divertimento zu. Sie überhörte das Signal, denn noch war es Mittag, und es galt, die Bankverhandlungen zu vertagen und den Kaufvertrag unter Dach zu bringen.
    Da sie sehr früh aufgestanden war, hatte Aglaia ihren Neffen am Frühstückstisch verfehlt. Sie ließ sich jetzt mit ihm verbinden, um sicherzugehen, daß sie ihn heute abend in ihrem Haus antreffen würde.
    Sebastian war mürrisch, aber er versprach es.
    Er mußte die Bitte auf seinen dummen Streich beziehen: Aglaia gab sich zumindest so lange keine Blöße, bis eine Entblößung keine Rolle mehr spielte. Wenn der Siebzehnjährige erst einmal zu ihrem Lustpagen avanciert wäre, würde er auch als Komplize schweigen, zumal Aglaia als erfahrene Frau bereit war, das tête-à-tête so zu arrangieren, daß der unerfahrene Junge annähme, er hatte sie verführt.
    Aglaia hatte den Beamten vom Verfassungsschutz in Köln anrufen lassen, sie wußte, daß er auf dem Weg zu ihr war. Die Sache mit Sebastian hätte sie telefonisch regeln können, aber Kudritzky würde der wichtigste Bauer in ihrem Schachspiel gegen Christian sein; sie wollte den Verhaßten mit einem Zug matt setzen.
    Sie verstand sich zu beherrschen, aber wenn sie, wie heute, allein an den Hebeln der Macht saß, hatte sie es schwer, wollüstige Empfindungen zu unterdrücken, als sie Anweisungen gab, Telefongespräche entgegennahm und sah, daß Eriks engste Mitarbeiter ihre Winke befolgten.
    »Herr Kudritzky ist in Ihrem Vorzimmer«, meldete die Sekretärin.
    Aglaia hatte auf ihn gewartet. Es war zwölf Uhr. Der Mann mußte geflogen sein. Sie war begierig, mit Kudritzky zu sprechen, aber sie ließ ihn warten, obwohl er beinahe auf die Minute pünktlich erschienen war. Pünktlichkeit erschien ihr nicht nur die Höflichkeit der Könige; sie war auch das Zaumzeug der Zeloten. So man sie beherrschen wollte, mußte man sie fühlen lassen, daß sie Zeloten seien.
    Aglaia drückte auf die Klingel, und Kudritzky rollte herein, behend, flink, kurzatmig, berstend vor Tüchtigkeit. Während sein Handkuß verunglückte, sagte er: »Wir haben den Anstifter der Schweinerei so gut wie sicher überführt.«
    »So«, erwiderte Aglaia.
    »Jedenfalls ist unser gemeinsamer Verdacht praktisch erwiesen.«
    Während sie ihn betrachtete, hatte sie es schwer, ihre Antipathie zu unterdrücken.
    »Tatsachen bitte«, sagte Aglaia, als wäre sie in Eile.
    »Wir haben zwei von diesen Burschen festgenommen, einen gewissen Kamm und einen …«
    »Und?« schnitt Aglaia seine Umständlichkeit ab.
    »Sie sind in U-Haft. Vorläufig sagen sie kein Wort, aber man wird sie schon noch zum Reden bringen.« Er verbeugte sich im Sitzen. »Die Sache ist in Händen der Polizei«, erklärte er, »und ich möchte mich nicht allzu deutlich engagieren.«
    Aglaia brauchte nicht erst auf seine nikotinvergilbten Fingerspitzen zu sehen, um zu wissen, daß der Mann vom Verfassungsschutz ein Kettenraucher war. Sie wußte, daß er es nicht wagte, ohne ihre Aufforderung zu rauchen. Es hätte sie nicht gestört, wenn er sich eine Zigarette angezündet hätte, aber es war ein kleiner, psychologischer Trick, ihn an der Abstinenz leiden zu lassen, um ihm im rechten Augenblick des Gesprächs Erleichterung zu verschaffen.
    »ich bin an dieser Sache nicht mehr interessiert«, eröffnete Aglaia dem Beamten. »Unser Syndikus hat soeben den Strafantrag wegen Hausfriedensbruch zurückgezogen.« Sie lächelte mit sanfter Tücke. »Ich nehme an, daß Ihre beiden Kandidaten aus der Untersuchungshaft entlassen werden.«
    »Warum denn das, gnädige Frau?« fragte Kudritzky.
    »Keine Laune«, antwortete sie, während sie sein Gesicht

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