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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Sondergenehmigungen in den französischen Stäben zusammen.
    Wenn sie sich einen freien Tag machen wollte, griff sie auf mich zurück.
    Sie war schlank, blond und gelassen. Blendete man im Hotelzimmer das Licht stark ab und trank ein wenig dabei, konnte man sich mit einiger Mühe vorstellen, Ethel wäre Laura.
    Das Land präsentierte sich als eine einzige Plage; wenigstens lenkte sie mich ab: eigentlich wußte ich schon nicht mehr, wie Wolfgangs Frau aussah. Zwar schüttete ich weiterhin Whisky in mich hinein, aber ich nutzte ihn nicht mehr als Waffe wider meine hormonellen Verwirrungen.
    Das Mädchen aus Boston half mir also mitunter aus einer unscharfen Einsamkeit. Wenn Ethel Zeit und Lust zeigte, hatte ich eine Weile eine Ersatz-Laura. Und kein Mann war an ihrer Seite, auf den ich hätte Rücksicht nehmen müssen, und ohnedies war Ethel kein kompliziertes Mädchen.
    Außerdem gab es noch eine Denise aus Lyon, die ich mit einem irischen Kollegen teilte – und sie uns beide mit einem Etappen-Oberst, von Yvonne, der aparten Eurasierin nicht zu sprechen, die es nicht oder gleich nach dem Frühstück haben wollte.
    Im übrigen kümmerte ich mich mehr um meine Berichte als um diese Okkasionen. Schließlich wurde ich wieder so unbefangen, daß ich den Kabeln an meine Zeitungen ab und zu einen Gruß an Wolfgang und Laura beifügen konnte.
    Einmal rief ich Wolfgang an. Ich hatte Stunde um Stunde in dem tristen Hotelzimmer verbracht und ich war auch nicht nüchtern.
    Ich wußte nicht, welche Ortszeit New York haben würde. Wolfgang war in der Klinik.
    Lauras Stimme klang fern und ein wenig atemlos.
    »Du?« sagte sie.
    »Ich«, antwortete ich; bei mir würgt die Telefonschnur immer die Intimität ab.
    »Wie geht es dir?« fragte Laura.
    »Prima«, antwortete ich.
    Vier oder fünf Stunden hatte ich auf diese Verbindung gewartet, und nun wußte ich nach ein paar gestanzten Formeln nichts mehr zu sagen. Ich griff nach der Flasche, nahm einen Schluck, einen zu großen, denn die Flüssigkeit rann mir an den Mundwinkeln entlang.
    Ich wischte sie mit dem Handrücken weg.
    »Kriegt ihr ein Kind?« rief ich in die Muschel.
    »Nein.«
    »Warum nicht?« schrie ich.
    »Eigentlich geht dich das nichts an«, entgegnete sie – und erst bei diesen Worten sah ich die richtige Laura wieder vor mir, freigeschaufelt von Ethel, Denise und Yvonne.
    »Kommst du bald zurück?« fragte sie.
    »Bald«, sagte ich. »Nur noch ein kleiner Umweg über Dien-Bien-Phu.«
    Laura sagte nichts, so angespannt ich auch horchte.
    Auf einmal war eine fremde Stimme in der Leitung: »Sprechen Sie noch?« fragte sie sachlich.
    »Ja, ich spreche noch!« versetzte ich und schwieg. »Grüß Wolfgang«, sagte ich schließlich anstelle von Ungesagtem.
    »Paß auf dich auf«, erwiderte Laura.
    Dann taten wir beide, als hätten wir aufgelegt, und horchten zwecklos in die Stille.
    Nach längerer Pause hörte ich wieder etwas, aber es war nicht Laura, sondern die Geschäftige, die mich wiederum fragte, ob ich fertig sei.
    Das Gespräch über Tausende von Meilen hinweg war ein Rückfall gewesen, wie ich annahm, ein letzter. Das Land, in dem das Blut rascher trocknete, als es floß, und die Unmenschlichkeit Staub ansetzte, in dem die Toten beider Seiten mitunter mit ausgestreckten Armen nebeneinander lagen, als wollten sie sich – danach – versöhnen, nahm mir Grübeleien ab.
    Wochen vor meinem 33. Geburtstag war ich nicht sicher, ob ich ihn noch erleben würde. Dem Geburtsschein nach war ich noch jung, aber das Leben maß bei mir wohl mit einer längeren Elle. Unrast und Unvernunft würden sich in mein Alter einfressen wie Schlupfwespen. Ich war nie ein kleinlicher Konsument gewesen.
    Ohne Zutun hatte Laura die einschlägigen Abenteuer meiner Vergangenheit gestrichen, sie zu einem faden Einheitsgeschmack verkocht, ob sie nun reizvoll gewesen waren oder dümmlich. Daß ich unter Lauras Einfluß vorübergehend Erlebnisse, nach denen jeder Mann, sofern er diese Geschlechtsbezeichnung verdient, trachtet, verwarf, erschien mir nun wiederum und wirklich die größte Verblendung zu sein.
    Eine Frau ist eine Frau, geschaffen für den Mann, den sie sich nimmt, sich scheinbar gebend. Man konnte es ansehen, wie man wollte. Die Unterschiede waren delikat und doch unerheblich, wenn man von farblichen Details der Haare oder von figürlichen Attraktionen absah. War man verliebt – daß man es öfter war, widerlegte diesen Zustand bereits –, knetete man sich seine Gespielin

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